BMUV-Tagung

BMUV-Veranstaltung zu den neuen genomischen Techniken in Brüssel

► Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV)


GMO - Regulation for plants derived from new genomic techniques: Environmental and consumer protection aspects


Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz lädt zu einer High-level Veranstaltung ein, um vor dem Hintergrund der aktuellen Regulierungsinitiative der EU-Kommission zu Neuen Genomischen Techniken (NGT) in Pflanzen offene Fragen insbesondere bezüglich Umweltrisikoeinschätzungen, Nachhaltigkeit und Verbraucherschutz zu diskutieren. (13. Juni 2022 in Brüssel)

 

Programm und Referenten


► BMUV: Video von der Veranstaltung zu Neuer Gentechnik

► BMUV-01


Neue Gentechnik: Risikoprüfung und Kennzeichnungspflicht müssen erhalten bleiben

Das BMUV machte hier deutlich, dass „Neue Gentechnik“ auch Gentechnik ist. Deshalb darf die umfassende Risikoprüfung für Mensch und Umwelt nicht aufgeweicht werden. Auch in Zukunft muss gewährleistet sein, dass Bürgerinnen und Bürger durch Kennzeichnung frei wählen können, ob sie Gentechnik auf ihrem Tisch haben möchten oder nicht. Das Vorsorgeprinzip ist nicht verhandelbar.


16.06.2022




Jany - Bericht zur Veranstaltung


Frau Ministerin Lemke begrüßte die Teilnehmer(innen) per Videoübertragung und führte in ihrem Statement aus, warum sie bzw. das Ministerium keine Notwendigkeit für eine Neuregulierung oder Änderungen des bestehenden Gentechnikgesetzes für notwendig hält. Nach ihrer Auffassung kann Gentechnik einschließlich der neuen genomischen Techniken (NGT) keine Lösung für ein ganzheitliches System der Nachhaltigkeit sein. Insbesondere können bei den NGT Risiken für Mensch und Umwelt sowie für die gesamte Lebensmittelkette per se nicht ausgeschlossen werden.

 

Falls es doch zu einer Regulierung für bestimmte NGT kommen sollte, führte sie aus, dass,

a) auch hier das Vorsorgeprinzip nicht verhandelbar sei.


b) eine vollumfängliche Risikobewertung erhalten bleiben muss und dies auch für

    Importprodukte. Die Unbedenklichkeit der Pflanze und daraus hergestellte Erzeugnisse

    müssen für Mensch und Umwelt überprüft werden und gesichert sein.


c) Kennzeichnung, Wahlfreiheit und Rückverfolgbarkeit müssen gewährleistet werden.


d) eine Neuregelung darf für das Farm to Fork-Ziel von 25 % Ökolandbau nicht abträglich

    sein.   

 

Mit diesem Eingangsstatement war eigentlich bereits die Linie für eine Neuregulierung vorgegeben; nämlich keine Neuregelung. Diese Einstellung entsprach auch grundsätzlich den Ausführungen der Panel-Diskussionsteilnehmer. Es gab eigentlich keine Diskussion zu Alternativen oder zu möglichen Vorstellungen für eine Regelung bestimmter NGT. Man war sich einig, dass das bestehende Gentechnikrecht erhalten bleiben muss, wenn nicht gar verschärft werden müsse.

 

Nachhaltigkeit als ein Kriterium für das Zulassungsverfahren nahm bei der Podiumsdiskussion einen breiten Raum ein und es wurden eine Vielfalt von Kriterium gewähnt. Erhalt der Biodiversität und Nutzen für alle gesellschaftlichen Gruppen (??) wurden hauptsächlich genannt.

 

Die Haftungsfrage wurde aufgeworfen, aber nicht weiterverfolgt.

 

Die Redner und Podiumsdiskussionsteilnehmer waren alle mit Ausnahme von Klaus Berend Gentechnikkritiker, die sich bereits im Vorfeld gegen eine Neuregulierung der NGT ausgesprochen hatten. Offensichtlich wollten die Organisatoren überhaupt keine Diskussion darüber ob und wie eine Neuregulierung bestimmter NGT aussehen könnte.

 

Der wissenschaftliche Teil über NGT wurde von Dr. Agapito dargestellt. Sie äußerte Zweifel an der Sicherheit und Zuverlässigkeit der neuen Techniken, ohne jedoch klare Belege für ihre Zweifel aufzuzeigen. Überzeugt hat mich jedoch ihre Aussage, dass die neuen Techniken nicht ortspezifisch, sondern sequenzspezifisch sind. Sie stellte Möglichkeiten zum Nachweis von Änderungen auf der genomischen Ebene dar, vermied aber Aussagen zur Identifizierung, auf welche Art und Weise diese Änderungen entstanden sind.

 

Klaus Berend von der EU-Kommission ging zunächst auf die 1. Konsultation der Kommission zu den NGT ein und war über die hohe Beteiligung erfreut. Von den 70894 Antworten wurden zwar 69414 als vorgefertigte identifiziert, aber die verbleibenden 1500 lieferten wichtige Hinweise. Das weitere Vorgehen der Kommission für eine Regulation bestimmter NGT ergäbe sich aus der 1. Befragung und dem Bericht (der Studie) der Kommission vom April 2021.


1. Es besteht ein hohes Interesse an der Anwendung von NGT in der EU.


2. Die NGT können einen wesentlichen Betrag zum Erreichen der Farm-to Fork-Ziele leisten.


3. Die gegenwärtige Gentechnikgesetzgebung entspricht nicht dem Stand von Wissenschaft

    und Technik und sollte revidiert werden.


4. Die Risikobewertung und das Risikomanagement wird bestimmten NGT nicht gerecht.


5. Geäußerte Bedenken zu möglichen Risiken für Mensch und Umwelt sowie für einen

    gentechnikfreie Agrar- und Lebensmittelproduktion sollen berücksichtigt werden.


6. Bei einer möglichen neuen Gesetzgebung soll ein Verfahren etabliert werden, das neue

    wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigt und aufnimmt.


7. Ein Verfahren zur Prüfung der Nachhaltigkeit soll eingeführt werden. 


8. Die Risikobewertung erfolgt fallabhängig und in Hinblick des möglichen und gepassten 

    Risikos.


9. Ein System der Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung wird eingeführt.

 

Die Kommission ist gewillt, eine Regulierung für gewisse NGT und die Cisgenesis einzufügen. Die Umsetzung des Gesetzentwurfes ist aber abhängig von der Zustimmung der Mitgliedsstaaten und des Europäischen Parlamentes. 


In Bezug auf die 2. Konsultation stellte er nochmals fest, dass in dem Fragebogen nicht nur Frage durch ankreuzen beantwortet werden können, sondern zu jeder Frage gibt es die Möglichkeit ausführliche Kommentare und/ oder Änderungsvorschläge einzustellen.


Jany nahm als Vertreter aus dem Wissenschaftlerkreis Grüne Gentechnik e.V. (WGG) an der Veranstaltung teil.

16.06.2022


Dumont - Bericht zu der Veranstaltung (Übersetzung ins Deutsche)


Hier der Bericht über ein Treffen in Brüssel am Montag, an dem ich zusammen mit Klaus-Dieter Jany teilgenommen habe. Klaus Berend, amtierender Direktor für Lebens- und Futtermittelsicherheit, Innovation, EU COM, gab einen Einblick in die laufende NGT-Konsultation der Kommission, deren Beweggründe und Absichten für eine Regulierung gewisser neuer genomischer Techniken (NGT).


Es waren nur wenige Personen anwesend, die den NGT aufgeschlossen gegenüberstehen. Ansonsten war dies eine Gelegenheit für Ministerin Steffi Lemke, ausgewählten EU-Parlamentariern, Interessengruppen wie IFOAM und Nichtregierungsorganisationen, ihren leidenschaftlichen – emotionalen Widerstand gegen die "Deregulierung" von NGT zum Ausdruck zu bringen. Die Wissenschaftlerin, Dr. Sarah Zanon Agapito, Forschungsprofessorin bei NORCE, Norwegen, die mit dem NORCE Food Print Projekt verbunden ist, konnte ihre Zweifel an der Sicherheit der Genom-Editing-Technologie äußern und die Entwicklung von Analyse- und Rückverfolgbarkeitstechnologien fordern.


Am wichtigsten waren jedoch die Einblicke, die Klaus Berend gab:


   1.  In der EU und weltweit besteht ein großes Interesse an NGT-Produkten;


   2.  Die derzeitigen Anforderungen an die behördliche Aufsicht und Risikobewertung sind NICHT

auf die verschiedenen Risikoprofile zugeschnitten und haben Probleme bei der Umsetzung und Durchsetzung;


   3.  NGTs können zu den Zielen von Green Deal und Farm to Fork sowie zu einer

wettbewerbsfähigeren Wirtschaft beitragen;


   4. Die Kommission wird die geäußerten Bedenken hinsichtlich möglicher negativer Auswirkungen

auf die Umwelt, das Recht der Verbraucher auf Information und die Koexistenz mit dem ökologischen und gentechnikfreien Sektor berücksichtigen;


   5. Die politischen Maßnahmen in Bezug auf Pflanzen, die durch gezielte Mutagenese und

Cisgenese erzeugt wurden, zielen auf eine verhältnismäßige Regulierungsaufsicht ab, die ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier sowie für die Umwelt aufrechterhält und es ermöglicht, die Vorteile der Innovation zu nutzen, insbesondere um die Ziele des "European Green Deal" und der "Farm to Fork"-Strategie zu erreichen.


   6.  Zu den politischen Elementen gehören:

 (a) Risikobewertung und Zulassungsanforderungen, die von Fall zu Fall dem jeweiligen Risiko

      angemessen sind;


(b) Ein System zur Förderung der Nachhaltigkeit;


(c) Geeignete Maßnahmen zur Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung;


 (d) Mechanismen, die eine rasche Anpassung von Elementen der Gesetzgebung und ihrer

Umsetzung im Laufe der Zeit ermöglichen, wenn der wissenschaftliche und technologische Fortschritt dies erfordert.


In weiteren Bemerkungen betonte Herr Berend:


Der Krieg in der Ukraine und der Klimawandel haben die Notwendigkeit der Widerstandsfähigkeit des EU-Lebensmittelsystems noch stärker in den Vordergrund gerückt. Es ist dringend notwendig, den Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden zu reduzieren. Nachhaltigkeit erfordert Innovation. Die Kommission ist zu dem Schluss gekommen, dass die derzeitige Gesetzgebung für bestimmte NGTs nicht geeignet ist.


Es gibt konkrete Beispiele für in der Entwicklung und Vermarktung von Lebensmitteln, die aus NGT hervorgegangen sind und der EU-Vision von nachhaltigen Produkten entsprechen, z. B. Tomaten, die gegen Pilzkrankheiten resistent sind, Reis, der gegen Trockenheit und Salz tolerant ist, Zuckerrüben mit höherem Proteingehalt, Kartoffeln mit weniger Asparagin( Acrylamid-Bildung), Sojabohnen mit hohem Ölsäuregehalt.

 

Die Koexistenz mit anderen Sektoren ist der Kommission wichtig; sie möchte nicht, dass ihre NGT-Initiative das Ziel von 25 % ökologischer Landwirtschaft aushebelt oder beeinträchtigt.

Es besteht nicht die Absicht, bestimmte Technologien zu "deregulieren"; dies wird nicht geschehen; ein hohes Sicherheits- und Schutzniveau wird beibehalten und das Vorsorgeprinzip bleibt die oberste Richtschnur.


Die Kommission wünscht einen maßgeschneiderten Rahmen und möchte neue Marktzutrittsschranken für KMU vermeiden.


Die politischen Elemente (i) Einzelfallprüfung, (ii) Förderung der Nachhaltigkeit, (iii) Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit und eine Form der Kennzeichnung sind von zentraler Bedeutung; die Kommission möchte auch eine vollständige Transparenz für Anwender und Verbraucher gewährleisten.


Während einige Mitgliedstaaten in diesem Zusammenhang "keine Änderung" der geltenden Rechtsvorschriften fordern, gibt es auch zwei sehr starke Forderungen nach einer vollständigen Deregulierung.


Die JRC und die EFSA sind als Berater stark involviert.


Die Kommission wurde beschuldigt, einen sehr voreingenommenen Fragebogen für die 2. Konsultation erstellt zu haben; nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein als dies.


Im Hinblick auf die Frist bis zum zweiten Quartal 2023 für einen Entwurf einer Gesetzesvorlage, besteht die Möglichkeit, dass überhaupt keine Maßnahmen ergriffen werden, doch ist dies nicht das gewünschte Ergebnis der Kommission. Nach diesem Datum wird der Prozess zwischen dem Ministerrat und dem EU-Parlament fortgesetzt.


Der vollständige Bericht von Philippe Dumont kann ► im Original hier eingesehen werden.


► GM Watch 


German ministry warns on risks of new GM products



The conference featured memorable presentations by several speakers, including:
* The German environment minister, who delivered evidence-based warnings on risks to

    health, the environment, and the organic sector from new GMOs.
* A European Commission official, a proponent of deregulation who nevertheless made

   important concessions on labelling and traceability of new GMOs.
* A researcher who described her findings on the detection of new GMOs.


  20.06.2022


Ausführlicher Bericht von GM Watch zu der BMUV-Veranstaltung am 13.06.2022 in Brüssel. (PM0108)



Reaktionen:


Informationsdienst Gentechnik: Wird EU-Kommission herbizidtolerante Pflanzen ächten?   


 14.06.2022


Galindo G.: "I see no need for re-regulation": Germany’s Environment Minister and

Green Party stalwart rebukes EU’s hopes to relax crop gene editing rules, invokes precautionary principle


16.06.2022

 

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