EU-Update: EuGH-Urteil zu Mutageneseverfahren

Update EU: EuGH-Urteil (C-528/16) zur genrechtlichen Einordnung von Mutageneseverfahren

Europa-Kommission: Update Zeitraum August 2019 – Juli 2020                  ► Deutschland: Update Zeitraum August 2019 - Juli 2020

Das EuGH-Urteil zur genrechtlichlichen Einordnung von Mutageneseverfahren hat zu Konfusionen und  Verunsicherungen geführt, und sie bestehen noch immer.
Vor zwei Jahren, am 25. Juli 2018, verkündete der Europäische Gerichtshof (EuGH) sein Urteil in der ► Rechtssache C-528/16 zur genrechtlichen Einordnung von Mutageneseverfahren. Der EuGH folgte in seiner Urteilsfindung nicht dem ► Schlussantrag von Generalanwalt Bobek vom 18.01.2018. Der Gerichtshof vertrat eine andere Auffassung und entschied, dass

  a) Organismen, die aus Mutageneseverfahren hervorgegangen sind, gentechnisch veränderte 
      Organismen (GVO) sind und aufgrund des Vorsorgeprinzips grundsätzlich den Regularien der 
      Gentechnikgesetzgebung unterliegen,
  b) Organismen, die aus Mutageneseverfahren hervorgegangen sind, die vor 2001 entwickelt und 
      angewandt wurden, sicher und diese GVO von den Regularien der Gentechnikgesetzgebung
      ausgenommen sind und
  c) GVO, die nicht der Gentechnikgesetzgebung unterliegen, von den Mitgliedsstaaten eigenständig
     national geregelt werden dürfen.

Das Urteil bezieht sich primär nur auf Pflanzen. Es hat aber in letzter Konsequenz Auswirkungen auf die genrechtliche Einordnung aller Organismen. 

Das EuGH-Urteil ist nicht anfechtbar und für alle EU-Mitgliedstaaten verbindlich. Die EU-Kommission kann das Urteil auf europäischer Ebene umsetzen. Frankreich muss es aufgrund des seit 2015 anhängenden Gerichtsverfahrens, das Auslöser für die Anrufung des EuGH war, umsetzen.

Frankreich und der Staatsrat (Conseil d´État )

In Frankreich hat der Conseil d´État (der Staatsrat) am 07.02.2020 das EuGH-Urteil in dem 2015 durch Bauern-, Tier- und Umweltverbänden angestrengten Verfahren zur Einordnung von Mutageneseverfahren und Umsetzung der Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EC umgesetzt. In seinem ► Urteil folgte der Staatsrat weitgehend der EuGH-Entscheidung: Pflanzen, die aus Mutageneseverfahren hervorgegangen sind, stellen gentechnisch veränderte Organismen (GVO) dar und unterliegen der Gentechnik- und Umweltschutzgesetzgebung. Der Staatsrat weist die französische Regierung an, die Gesetze (Verordnungen) entsprechend zu aktualisieren. Er hat der Regierung eine Frist von 6 Monaten gesetzt das Umweltgesetz (Art. D 531-2, Buchstabe a) seinem Urteil anzupassen. Der Hohe Rat für Biotechnologie soll eine Liste von in vitro Mutageneseverfahren zusammenstellen, die seit Langem angewandt werden und erfahrungsgemäß mit keiner Schädigung der „öffentlichen Gesundheit oder der Umwelt“ verbunden sind. Für diese soll dann eine Ausnahmeregelung ähnlich wie in Annex I B der Freisetzungsrichtlinie 2001/18/ EG angewandt werden.
Weiterhin muss die Regierung innerhalb von neun Monaten ermitteln, welche im Sortenkatalog (2002/53/EC) aufgenommenen Pflanzen durch in vitro Mutageneseverfahren erzeugt worden sind und nun den Bestimmungen des Gentechnikrechts und des Umweltschutzgesetzes unterliegen. Pflanzen, die nicht nach diesen Regularien in den Sortenkatalog aufgenommen wurden, müssen aus dem Sortenkatalog gestrichen und vom Markt genommen werden.

Zusätzlich wies der Gerichtshof daraufhin, dass die zuständige Behörde ANSES potenzielle Risiken für Mensch und Umwelt durch in vitro Mutagenese gewonnene herbizid-tolerante Pflanzen ermitteln und bewerten soll. Bei der Bewertung sollen Anbauvoraussetzungen für solche Pflanzen definiert werden, die die Verwendung von Herbiziden reduzieren.

Ein entsprechendes ► Dekret wurde inzwischen der EU-Kommission zur Notifizierung unter der ► Nummer 2020/280/F vorgelegt.

 „Dekret Nr. […] vom […] über die Änderung der Liste der Verfahren zur Gewinnung genetisch veränderter Organismen, 
  die herkömmlich angewendet wurden, ohne nachweislich die öffentliche Gesundheit oder die Umwelt zu schädigen.“ 

Es wurde eine ► Liste mit den Pflanzen erstellt, die aus dem Sortenkatalog gestrichen werden sollen, da sie durch in-vitro Zufallsmutagenese generiert wurden. In der Liste sind nur Raps-Sorten aufgeführt. Diese Liste wurde unter der ► Nummer 2020/281 bei der EU-Kommission eingereicht.  

Falls das Dekret in dieser Fassung in Kraft tritt, werden Pflanzen, die aus einer in-vitro-Zufallsmutagenese entstanden sind, als GVO reguliert. Frankreich setzt somit Punkt c des EuGH-Urteils um. Allerdings hat der EuGH weder den Ausdruck in vitro noch in vivo Mutagenes benutzt; geschweige entsprechende Definitionen hierfür gegeben. Die EU- Mitgliedstaaten, die Europäische Kommission und Interessenvertreter haben bis zum 7. August 2020 Zeit, Kommentare oder begründete Stellungnahmen abzugeben, um Frankreich aufzufordern, diesen Entwurf eines nationalen Erlasses zu ändern oder zurückzuziehen. Grundlage für einen Einspruch müssen die möglichen Auswirkungen des Dekrets auf den gemeinsamen EU-Binnenmarkt sein.

Das Urteil des Staatsrats gilt nur für Frankreich, es greift aber einer einheitlichen europäischen Regelung vor. Für Frankreich bedeutet dies, dass in vitro mutierte Pflanzen, die nach 2001 zugelassen, aber nicht die EU-Sicherheitsbewertung unterzogen wurden, nicht mehr angebaut und Produkte aus diesen Pflanzen nicht mehr gehandelt werden dürfen. Das Urteil stellt ein weiteres Hindernis für die moderne Pflanzenzüchtung dar und schränkt die Möglichkeiten von kleinen und mittelständischen französischen Züchtungsunternehmen im internationalen Wettbewerb zu bestehen ein. Insgesamt hätte das Dekret, resultieren aus dem Urteil, tiefgreifende Auswirkungen auf den freien Warenverkehr innerhalb der EU.



     Europa und EU-Kommission

In der EU gilt für genetische Veränderungen noch immer, je präziser die genetische Modifizierung ist und umfassender die Kenntnisse über die molekularen Veränderungen sind, desto rigoroser muss das Vorsorgeprinzip angewandt und umso umfassender müssen Sicherheitsbewertungen durchgeführt werden. An den gesetzlichen Regularien hat sich nichts geändert bzw. es konnte aus Zeitgründen und der Covid-19-Pandemie auch nichts geändert werden.

Die EU-Kommission ist nicht untätig. Sie hat aber hier eigentlich nur wenige Optionen:
1.  Sie sammelt weiter Informationen über Anwendungen, Sicherheit, Regularien usw. von neuen molekularen Verfahren zu 
     Gen- und Genomveränderungen. Sie führt in diesem Zusammenhang zwei Befragungen durch und steht in engem Kontakt 
     mit dem Europäischen Referenzlabor (ENGL) zur Prüfung der Möglichkeiten des Nachweises geneditierter Organismen und 
     daraus gewonnenen Erzeugnissen sowie mit der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) über Fragen der 
     Sicherheitsbewertung. 
2.  Die EU-Kommission hält an der bestehenden Regelung fest, da sie die Auffassung vertritt, die Regularien setzen bereits das 
     EuGH-Urteil hinreichend um und wahren das Vorsorgeprinzip. In diesem Zusammenhang kann vielleicht auch ihre Anfrage 
     an die EFSA verstanden werden ob die bestehenden Verfahren der Sicherheitsbewertung auch auf Pflanzen, die mit den 
     neuen Züchtungsmethoden (hier: SDN-1, SDN-2 und ODM) erzeugt wurden, anwendbar sind. 
3.  Die EU-Kommission erachtet eine Novellierung der Regularien für notwendig, da sie der Auffassung ist, dass die bestehenden
     Regularien an Stand von Wissenschaft und Technik angepasst und den weltweiten gesetzlichen Vorgaben einer weitgehenden
     Deregulierung von bestimmten Mutageneseverfahren Rechnung getragen werden sollten. Letzteres könnte in naher Zukunft 
     dem weltweiten Handel dienlich sein und Konflikte mit der Welthandelsorganisatgion (WTO) vermeiden.
Green Deal – Farm to Fork Strategy 

In der ► Farm to Fork Strategy (F2F-Strategie) erwähnt die EU-Kommission die neuen Züchtungsmethoden lediglich in einem Satz: “New innovative techniques, including biotechnology and the development of bio-based products, may play a role in increasing sustainability, provided they are safe for consumers and the environment while bringing benefits for society as a whole. They can also accelerate the process of reducing dependency on pesticides. In response to the request of Member States, the Commission is carrying out a study which will look at the potential of new genomic techniques to improve sustainability along the food supply chain”

(Freie Übersetzung: „Neue innovative Techniken, einschließlich der Biotechnologie und der Entwicklung biobasierter Produkte, können bei der Erhöhung der Nachhaltigkeit eine Rolle spielen, vorausgesetzt, sie sind sicher für Verbraucher und Umwelt und bringen gleichzeitig Vorteile für die Gesellschaft als Ganzes. Sie können auch den Prozess der Verringerung der Abhängigkeit von Pestiziden beschleunigen. Auf Ersuchen der Mitgliedstaaten führt die Kommission eine Studie durch, die das Potenzial neuer genomischer Techniken zur Verbesserung der Nachhaltigkeit entlang der Lebensmittelkette untersuchen wird.“) Dieser Satz wird von einigen NGOs und Parteien dahingehend interpretiert, dass über der F2F-Strategie Anwendungen des Genome Editing in der EU forciert und von den gesetzlichen Regelungen ausgenommen werden sollen. Der Satz sagt jedoch überhaupt nichts über den weiteren regulatorischen Umgang der EU-Kommission hinsichtlich der neuen Züchtungsmethoden aus, sondern weist lediglich daraufhin, dass sie entsprechend dem ► Ersuchen des Europäischen Rates vom 08.11.2019 eine Studie zum Status bzw. den Potenzialen neuer Züchtungsmethoden in Auftrag gegeben hat.

Befragung zum Status der neuen Züchtungsmethoden
Die EU-Kommission führt zwei Befragungen durch. Die eine Befragung richtet sich direkt an die Mitgliedsstaaten und die andere an ausgewählte Interessensvertreter, die direkt oder indirekt von den neuen Methoden für Genomveränderungen (Genome Editing) betroffen sein oder Interesse an den neuen Methoden haben könnten. 

Beide Befragungen haben einen ähnlichen Aufbau und umfassen als Hauptabfragepunkte:

• Umsetzung und Durchsetzung der GVO-Gesetzgebung in Hinblick auf die neuen genomischen Techniken (NGTs)

• Informationen zur Forschung über NGT und NGT-Produkte

• Informationen über potenzielle Vorteile und Möglichkeiten von NGTs und NGT-Produkten

• Informationen über mögliche Herausforderungen und Bedenken in Bezug auf NGT und NGT-Produkte

• Sicherheit von NGTs und NGT-Produkten

• Ethische Aspekte von NGTs und NGT-Produkten

• Recht der Verbraucher auf Information/Freiheit der Wahl


     ► Fragebogen an die Mitgliedsstaaten: Questionnaire on new genomic techniques to contribute to the study requested by the

             Council (Abgabefrist 15.01.2020) 

     ► Fragebogen an die Interessensvertreter:  Stakeholder consultation on new genomic techniques to contribute to a Commission 

                  study requested by the Council (Abgabefrist 15.05.2020)

Über den Fortgang der Befragung und deren Ergebnissen wird die EU-Kommission demnächst ► hier unterrichten.


Über die Antworten von Stakeholdern ist noch nichts für die Öffentlichkeit bekannt geworden. Im Internet wurden ► ein ausgefüllter Fragebogen aus dem Bereich der roten Gentechnik, der European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations (EFPIA) und ► einer aus dem Bereich der grünen Gentechnik von der Wissenschaftsvereinigung European Plant Science Organisation (EPSO) gefunden.


Die möglichen Interessenvertreter wurden vornehmlich auf der übergeordneten europäischen Ebene ausgewählt. Wie die Auswahl erfolgte, ist nicht ganz klar, aber sie umfasst alle gesellschaftlichen Bereiche. Unter den ► 107 ausgewählten Interessenvertreter ist keine der etablierten nationalen Wissenschaftsorganisationen benannt. Die EU-Kommission hat aber Wissenschaftsorganisationen nicht ausklammert: Die Pflanzenforschung werden durch die European Plant Science Organisation (EPSO) und von der erst nach dem EuGH-Urteil gegründeten European Sustainable Agriculture Through Genome Editing (EU-SAGE) Vereinigung vertreten. Die Wissenschaft ist unabhängig und hat berechtigte Interessen an den neuen Methoden der Genomveränderung.


Die EU-Kommission muss (soll) bis 30. April 2021 einen Bericht über die Ergebnisse der Befragungen sowie über mögliche Maßnahmen, die sich aus ihnen ergeben, vorlegen (siehe Europäischer Rat). Die Befragungen sind grundsätzlich zu begrüßen. Inwieweit die EU-Kommission die Studienergebnisse aber tatsächlich beachtet, wird sich zeigen. Für den Zeitraum der Studie bedeutet es aber auch, dass die EU-Kommission keine weiteren Initiativen zur Regelung der neuen Methoden ergreifen wird und die Mitgliedsstaaten Zeit für weitere nationalen Diskussionen gewonnen haben.


Die Kommission hat nun (05.07.2021) die Ergebnisse der Befragungen veröffentlicht.

Stakeholders’ consultation

The EU Member States draft questionnaire was discussed, finalised and endorsed at a Joint Working Group of Member States GMO competent authorities held in Brussels on 15 January 2020. The final questionnaire was made available to the Member States via EUsurvey. The authorities were invited to consult further at national level in order to complement their replies.

The targeted stakeholder consultation involved EU-level stakeholder organisations that could be directly or indirectly impacted and/or have potential interest in NGTs (see list below). The questionnaire was discussed and finalised during a stakeholder meeting held in Brussels on 10 February 2020. The final questionnaire was made available to stakeholders via EUsurvey.

https://ec.europa.eu/food/plants/genetically-modified-organisms/new-techniques-biotechnology/ec-study-new-genomic-0_de


Anfragen an EFSA


Am 26.05.2020 beauftragte die EU-Kommission (DG-SANCO) die EFSA mit der Erstellung einer wissenschaftlichen Stellungnahme zu in vitro Mutagenesetechniken (Mandat-Nr. M-2020-014; “Scientific opinion on in vitro random mutagenesis techniques”).

Sie bittet die EFSA in ihrer Stellungnahme 

  ● um eine detailliertere Beschreibung der in vivo und in vitro angewandten Zufallsmutagenesetechniken,

  ● um eine Beurteilung,

      -  ob die Arten der genetischen Veränderung, die durch zufällige Mutagenesetechniken induziert werden, je nachdem, ob die 

         Technik in vivo oder in vitr o angewandt wird, unterschiedlich sind,

      -  ob der molekulare Mechanismus, der den Techniken der zufälligen Mutagenese zugrunde liegt, je nachdem, ob die Techniken

          in vivo oder in vitro angewendet werden, unterschiedlich sind,

      -  ob in vitro -Zufallsmutagenese-Techniken im Vergleich zu in vivo -Zufallsmutagenesetechniken als unterschiedliche 

 Techniken anzusehen sind oder ob sie im Gegenteil als Kontinuum zu betrachten sind. 

Die Stellungnahme (EFSA Q-2020-00445) soll bis Ende September 2021 fertiggestellt werden. Diese Stellungnahme sollte abgewartet werden, bevor das französische  Dekret in Kraft gesetzt wird.


Am 11.11.2021 wurde nun die Stellungnahme veröffentlicht:

EFSA GMO Panel (2021): In vivo and in vitro random mutagenesis techniques in plants. EFSA Journal19 (11): 6611, 30 pp.

https://doi.org/10.2903/j.efsa.2021.6611

https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/pdf/10.2903/j.efsa.2021.6611


Am 09.01.2020 beauftragte die EU-Kommission (DG-SANCO) die EFSA mit der Erstellung einer wissenschaftlichen Stellungnahme über gentechnisch veränderte Pflanzen, die mit Hilfe der neuen Methoden der Genomveränderung entwickelt wurden (Mandat-Nr. M-2020-0016; “Request for a scientific opinion on genetically modified plants developed through new genomic techniques”). Die Stellungnahme soll einen Überblick zum Status der neuen Techniken und zur Risikobewertung von Pflanzen geben, die durch die neuen Techniken erzeugt wurden. Unter neuen Techniken versteht hier die Kommission: „Techniken, die fähig sind, die genetische Information, das genetische Material eines Organismus zu verändern, die seit 2001 angewandt werden oder ab 2001 entwickelt wurden“. Für ihre Erarbeitung hat die EU-Kommission die Mitgliedsstaaten bzw. deren kompetenten Behörden um Unterstützung geben. Die Stellungnahme (EFSA Q-2020-00103) soll bis Oktober 2020 fertiggestellt werden.


Festzuhalten ist, dass die EU-Kommission als Stichtag für neue Technologien (NTBs) die Verabschiedung der Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EC ansieht. Die Anfrage steht im direkten Zusammenhang mit dem Auftrag (EU) 2019/1904 des Europäischen Rats an die EU-Kommission.


Die EU-Kommission (DG-SANCO) beauftragte am 09.04.2019 die EFSA mit der Erstellung einer wissenschaftlichen Stellungnahme zu Pflanzen, die über SDN-1, SDN-2 und ODM-Verfahren entwickelt wurden (Mandat-Nr. M-2019-00297; “Request for a scientific opinion on plants developed using type 1 and type 2 Site-Directed Nucleases and Oligonucleotide Directed Mutagenesis”). Hier soll überprüft werden, inwieweit Verfahren der Sicherheitsbewertung für Pflanzen, die über Zinkfinger-Nukleasen-3 oder ähnlicher Verfahren (SDN-3) erzeugt wurden, auf durch SDN-1, SDN-2 oder ODM generierte Pflanzen anwendbar sind. Aufgrund der Bedeutung dieser Stellungnahme führt hier die EFSA eine öffentliche (schriftliche) Anhörung durch und beantragt, den Abgabetermin auf 30.10.2020) zu verlängern. 


Stellungnahme: EFSA-Q-2019-00297: Scientific opinion on plants developed using type 1 and type 2 Site-Directed Nucleases and Oligonucleotide Directed Mutagenesis. (Termin: 30.04.2020).


Öffentliche Anhörung ► EFSA-Q-2020-00098 : Applicability of the EFSA opinion on site-directed nucleases type 3 for the safety assessment of plants developed using site-directed nucleases type 1 and 2 and oligonucleotide-directed mutagenesis. (Termin: 30.10.2020, verlängert 04.06.2020)



Abstract:

The European Food Safety Authority (EFSA) published a scientific opinion on the risk assessment of plants developed using zinc finger nuclease type 3 technique (ZFN-3) and other site-directed nucleases (SDN) with similar function, collectively defined as SDN-3(EFSAGMO Panel, 2012). The European Commission (EC) requested the EFSA Panel on Genetically Modified Organisms (GMO Panel) to assess 13whether the section 4 (hazard identification) and the conclusions of the opinion onSDN-3 are valid for plants developed viaSDN-1, SDN-2, and oligonucleotide-directed mutagenesis (ODM). In delivering this opinion, the GMO Panel compared the hazards associated with plants produced via SDN-1, SDN-2 and ODM with those associated with plants obtained via both SDN-3 and conventional breeding. The GMO Panel concluded that, unlike for SDN-3 methods, the application of SDN-1, SDN-2, and ODM approaches results in the modification of plant endogenous genomic sequences without the insertion of exogenous DNA. Consequently, those considerations which are specifically related to the presence of a transgene included in section 4 and conclusions of the opinion on SDN-3 are not relevant to plants obtained via SDN-1, SDN-2, and ODM approaches in case foreign DNA is not present in the final product. Overall, the GMO Panel did not identify new hazards specifically linked to the genomic modification produced via SDN-1, SDN-2 and ODM as compared to both SDN-3 and conventional breeding. Furthermore, the GMO Panel considers that the existing Guidance for risk assessment of food and feed from genetically modified plants (EFSAGMO Panel, 2011) and the Guidance on the environmental risk assessment of genetically modified plants (EFSAGMO Panel, 2010) are sufficient 27but can be only partially applied to plants generated via SDN-1, SDN-2 and ODM. Indeed, those guidances’ requirements which are linked to the presence of foreign DNA are not relevant for the risk assessment of plants developed viaSDN-1, SDN-2, and ODM approaches in case the genome of the final product does not contain exogenous DNA


Freie Übersetzung:


Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) veröffentlichte ein wissenschaftliches Gutachten zur Risikobewertung von Pflanzen, die mit der Zinkfinger-Nuklease Typ 3-Technik (ZFN-3) und anderen ziel-gerichteten Nukleasen (SDN) mit ähnlicher Funktion entwickelt wurden und die gemeinsam als SDN-3 definiert werden (EFSA GMO-Gremium, 2012). Die Europäische Kommission (EK) ersuchte das EFSA-Gremium für genetisch veränderte Organismen (GMO-Gremium) zu beurteilen, ob Abschnitt 4 (Gefahrenidentifizierung) und die Schlussfolgerungen des Gutachtens zu SDN-3 für Pflanzen anwendbar sind, die durch SDN-1, SDN-2 und Oligonukleotid-gesteuerter Mutagenese (ODM) entwickelt wurden. Bei der Abgabe dieser Stellungnahme verglich das GMO-Gremium die Gefahren, die mit Pflanzen verbunden sind, die über SDN-1, SDN-2 und ODM erzeugt wurden, mit denen, die mit Pflanzen verbunden sind, die sowohl über SDN-3 als auch über konventionelle Züchtung gewonnen wurden. Das GVO-Gremium kam zu dem Schluss, dass im Gegensatz zu den SDN-3-Verfahren die Anwendung der SDN-1-, SDN-2- und ODM-Ansätze zur Veränderung der endogenen genomischen Sequenzen von Pflanzen ohne die Einfügung exogener DNA führt. Folglich sind die in Abschnitt 4 enthaltenen Überlegungen, die sich speziell auf das Vorhandensein eines Transgens beziehen und die Schlussfolgerungen des Gutachtens zu SDN-3 für Pflanzen, die über SDN-1-, SDN-2- und ODM-Ansätze gewonnen wurden, nicht relevant, wenn im Endprodukt keine Fremd-DNA vorhanden ist. Insgesamt identifizierte das GMO-Gremium im Vergleich zu SDN-3 und konventioneller Züchtung keine neuen Gefahren, die spezifisch mit der genomischen Veränderung verbunden sind, die über SDN-1, SDN-2 und ODM erzeugt wurde. Darüber hinaus ist das GMO-Gremium der Ansicht, dass die bestehenden Leitlinien für die Risikobewertung von Lebens- und Futtermitteln aus genetisch veränderten Pflanzen (EFSA GMO-Gremium, 2011) und die Leitlinien für die Umweltverträglichkeitsprüfung von genetisch veränderten Pflanzen (EFSA GMO-Gremium, 2010) ausreichend sind, aber nur teilweise auf Pflanzen angewendet werden können, die über SDN-1, SDN-2 und ODM erzeugt wurden. In der Tat sind die Anforderungen dieser Leitlinien, die mit dem Vorhandensein von Fremd-DNA verbunden sind, für die Risikobewertung von Pflanzen, die über SDN-1-, SDN-2- und ODM-Ansätze entwickelt wurden, nicht relevant, wenn das Genom des Endprodukts keine exogene DNA enthält.



Neuer Text
Die EFSA hat die eingegangenen Anmerkungen und ihre überarbeitete wissenschaftliche Stellungnahme noch nicht veröffentlicht (Abgabetermin: 30.10.2020).
Aber bereits im Vorfeld zur Anhörung hat TestBiotech seine Kritik an der wissenschaftlichen Stellungnahme der EFSA veröffentlicht.

► Then C. and Bauer-Panskus A. (2020): Comment on EFSA draft document on risk assessment of plants developed with Type 1(SDN-1) and Type 2 (SDN-2) site-directed nucleases and oligonucleotide directed mutagenesis (ODM) 



















Freie Übersetzung: 
Mängel im EFSA-Gutachten
Die EFSA betrachtet Risiken aus den SDN-1- und SDN-2-Verfahren als vergleichbar denen aus der konventionellen Züchtung. Die EFSA liefert jedoch keine ausreichenden wissenschaftliche Grundlagen-, um die konventionelle Pflanzenzüchtung (unter Verwendung nicht zielgerichteter chemischer oder physikalischer Mutagene) mit Methoden der Gentechnik unter Verwendung biotechnologischer Mutagene zu vergleichen. Beispielsweise ist die EFSA nicht der Ansicht, dass die biotechnologischen Mutagenese-Verfahren Mechanismen der natürlichen Genregulation umgehen können und typischerweise spezifische Muster genetischer Veränderungen und eine neue Kombination genetischer Information verursachen können, die mit Methoden der konventionellen Züchtung nicht oder kaum erreicht werden können. Daher weist die EFSA-Methodik grundlegende Mängel auf, die zu Annahmen führen, die nicht ausreichend wissenschaftlich fundiert sind. Darüber hinaus gibt es ein breites Spektrum spezifischer unbeabsichtigter on-target und off-target Effekte im Zusammenhang mit SDN-1 und SDN-2 Interventionen, die weitgehend von verschiedenen technischen Parametern der spezifischen Prozesse abhängen. All diese technischen Details bestimmen sowohl die Präzision als auch die Effizienz einer Intervention und müssen auch bei der Risikobewertung berücksichtigt werden. Unbeabsichtigte Zielwirkungen wurden von der EFSA jedoch überhaupt nicht berücksichtigt.
Schlussfolgerungen 
Die Methodik und die Leitlinien für die Risikobewertung müssen verbessert und entsprechend angenommen werden, wobei die dem vergleichenden Ansatz innewohnenden Einschränkungen und die komplexen Herausforderungen zu berücksichtigen sind, die die Anlagen SDN-1 und SDN-2 für die Umweltrisikobewertung darstellen. In Bezug auf ODM fehlen viele Daten; daher kann keine endgültige Schlussfolgerung zu den Risiken gezogen werden.

Die European Plant Science Organisation (EPSO) hat ihre Anmerkungen nach Abgabeschluss am 25. 06.2020 im Internet veröffentlicht.
EPSO statement on the EFSA draft opinion on directed mutagenesis
EPSO agrees with the general statement of EFSA that risk-assessments should be done in a case-by-case manner and that the suggested procedures for risk assessment of SDN-3 that pertain to risk assessments of transgenes do not apply to SDN-1, SDN-2 and oligonucleotide-directed mutagenesis, and should be simplified for these. Furthermore, EPSO suggests clarifications in the definitions of SDN-1 and SDN-2 and the nature of the introduced base changes using these two techniques.

EPSO stimmt den allgemeinen Erklärungen der EFSA zu. Risikobewertungen sollten in einem Fall-zu-Fall-Verfahren durchgeführt werden. Die vorgeschlagenen Verfahren zur Risikobewertung von SDN-3, die sich auf Risikobewertungen von Transgenen beziehen, nicht für SDN-1, SDN-2 und oligonukleotidgesteuerte Mutagenese gelten und für diese vereinfacht werden sollten. Darüber hinaus schlägt EPSO vor, die Definitionen von SDN-1 und SDN-2 sowie die Art der mit diesen beiden Techniken eingeführten Basenänderungen zu präzisieren. 
Der Wissenschaftlerkreis Grüne Gentechnik e.V. und bgf-Jany stimmen den Schlussfolgerungen des GMO-Gremiums grundsätzlich zu.

Der Wissenschaftlerkreis Grüne Gentechnik unterstützt die Ausführungen und Schlussfolgerungen des EFSA-GMO-Gremiums. Pflanzen, deren genetische Information durch SDN-1, SDN-2, oder ODM-Verfahren modifiziert wurde, beinhalten keine fundamental neuen Risiken für Mensch und Umwelt. Die Gefährdungspotentiale unterscheiden sich nicht von denen, die durch SDN-3 generierte Pflanzen entstehen können. Die bisherigen Bewertungsverfahren können daher in einer Fall-zu Fall Entscheidung angewandt und sollten aber in Einzelfällen modifiziert werden.

    ► Anmerkungen 25.05.2020: Wissenschaftlerkreis Grüne Gentechnik e.V. (WGG)

PlantEd  Cost Action CA18111
Gesellschaft für Pflanzenbiotechnologie e.V.
PlantEd agrees with and wishes to emphasize the main finding of the EFSA Panel on Genetically Modified Organisms which could not find any new hazards specifically linked to the genomic modification produced via SDN-1, SDN-2 and ODM as compared to both SDN-3 and conventional breeding. Applying the precautionary principle as developed in the Commission’s Communication (COM/2000/0001) and in European Court’s case law and EU legislation, we trust that this is an important indication for the evaluation that the Commission is conducting in response to the Council’s requests (Council Decision (EU) 2019/1904). Furthermore, PlantEd also agrees that the considerations relating to the introduction of a transgene, in the existing guidance for risk assessment of food and feed from genetically modified plants and the guidance on the environmental risk assessment of genetically modified plants, are not relevant for the risk assessment of plants developed via SDN-1, SDN-2, and ODM approaches in case the genome of the final product does not contain exogenous DNA. 



PBS supports the opinion and conclusions of the EFSA GMO Panel that plants whose genetic information has been altered by SDN-1, SDN-2 or ODM pose no fundamental new or additional risks to humans and the environment. There is no evidence of this in the scientific literature. The risk potential does not differ from that resulting from classic breeding or the classical mutagenesis processes. Thus, the safety assessment procedures used so far can be applied. However, a differentiated consideration must be performed as to whether the modified plant contains any exogenous DNA introduced during the genome editing process, which is often not the case with SDN-1, SDN-2 procedures and ODM. In case that no exogenous DNA is present in the plant genome, the corresponding assessment procedures must be adapted or the assessment must be based primarily on the product to be placed on the market. For gene edited plants, which could also result from natural or conventionally induced mutations, the mandatory 90-day feeding should be waived (Regulation (EU) No. 503/2013).

  

Anfragen an das Europäische Referenzlabor (ENGL)


Ein eindeutiges Nachweisverfahren ist unter anderem eine der Voraussetzung für Zulassung von Organismen und daraus hergestellter Erzeugnisse, die nach der GVO-Gesetzgebung reguliert werden. Zusätzlich ermöglicht es die Rückverfolgbarkeit und die Überprüfung einer ordnungsgemäßen Kennzeichnung. Da das Ergebnis der durch die neuen Verfahren erzeugten Veränderungen oft identisch ist mit Mutationen, die spontan in der Natur entstehen, ist es nahezu unmöglich von dem Nachweis einer solchen Veränderung auf die Art ihrer Entstehung zu schließen. Deshalb beauftrage die EU-Kommission im Oktober 2018 das Europäische Referenzlabor mit der Prüfung und wenn möglich mit der Ausarbeitung von Methoden zum Nachweis genomeditierter Pflanzen. Ende März 2019 legte das ENGL ihren ► Bericht “Detection of food and feed plant products obtained by new mutagenesis techniques” vor. 

Kernaussagen sind, dass 

• Änderungen auf der DNA-Ebene nachgewiesen werden können, aber es keinen eindeutigen Nachweis gibt wie diese Änderung

  entstanden ist,

• für nicht eindeutige DNA-Änderungen, die ein oder wenige DNA-Basenpaare betreffen, ein Antragsteller möglicherweise keine    ereignisspezifische Methode entwickeln kann,

• durch Genom-Editing gewonnene Pflanzenprodukte unerkannt auf den Markt gelangen können. Wenn ein Produkt mit einer 

  unbekannten oder nicht eindeutigen DNA-Änderung auf dem EU-Markt entdeckt würde, wäre es außerdem schwierig oder 

  sogar unmöglich einen Beweis vorzulegen, dass die geänderte Sequenz aus der Bearbeitung von Genomen stammt. 


Dies bedeutet, dass die aktuelle Gentechnikgesetzgebung zur Kennzeichnung durch Kontrollen nicht durchgesetzt werden kann. Der nicht rechtssichere Nachweis wie die genetische Veränderung herbeigeführt wurde, erschwert Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit . Dies wird zu Verwerfungen im internationalen Warenverkehr führen.




Europäischer Rat

Im EU-Agrarministerrat stehen Diskussionen zur Reform der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) meist im Vordergrund.  
In seiner ► Sitzung vom 14.05.2019 erfolgten neben den Aussprachen zu technischen Einzelheiten zur Verwaltung der künftigen GAP auch zu einer möglicherweise notwendigen Überarbeitung des gegenwärtigen Gentechnikrechts auf der Tagesordnung. Dieser Punkt wurde von den Niederlanden, unterstützt von Estland, eingebracht und verweist auf die Probleme, die sich aus dem EuGH-Urteil (C-528/16) ergeben. Die Niederlande fordern einen einheitlichen EU-Ansatz für die Umsetzung der EU-Rechtsvorschriften über GVO in Hinblick auf die Mutagenese und den neuen Verfahren zu Genomveränderungen. Sie erkennen zwar an, dass das EuGH-Urteil Rechtsklarheit in Bezug auf die neuen Züchtungstechniken erbracht habe, weisen aber auch auf Fragen und Herausforderungen hin, die es ausgelöst hat. Sie erwarten daher von der neuen Kommission, eine Überprüfung der GVO-Gesetzgebung der EU. Laut Protokoll wurde dieser Vorschlag von vielen Delegationen unterstützt. Aufgeschlüsselt haben von den 28 Mitgliedsstaaten 13 dem Vorschlag mehr oder minder zugestimmt. Davon wünschen sieben Mitgliedsstaaten (Bulgarien, Kroatien, Litauen, Niederlande, Spanien, Rumänien, Tschechische Republik) eine Novellierung des Gentechnikrechtes, sechs Staaten (Dänemark, Finnland, Frankreich, Italien, Schweden, Slowenien) würden sich mit genaueren Erklärungen der EU-Kommission zum Gentechnikrecht zufriedengeben. Österreich, Polen und Ungarn sprechen sich für eine direkte Umsetzung des EuGH-Urteils aus. Diese Länder erachten die neuen Techniken grundsätzlich als Gentechnik. Polen führt zusätzlich noch aus, dass die polnische Bevölkerung mit der gegenwärtigen Regelung voll zufrieden sei und daher kein Bedarf an Änderungen besteht. Die weiteren Mitgliedsstaaten haben sich nicht direkt geäußert. 

Deutschland hat hierzu entsprechend dem Koalitionsvertrag keine eigene abgestimmte Meinung und hat sich deshalb der Abstimmung enthalten. Allerdings stünde nach Aussagen des damaligen Agrarstaatssekretär Aeikens Deutschland einer Diskussion in Sachen Gentechnikrecht offen gegenüber. Unklar bleibt jedoch, ob Deutschland aufgrund der konträren Meinungen der Ministerin für Landwirtschaft und der von Ministerin für Umwelt tatsächlich aktiv und konstruktiv mit Vorschlägen bei der EU-Kommission vorstellig werden kann.


Unter der finnischen Ratspräsidentschaft hat der Europäische Rat aufbauend auf den Diskussionen und der Entscheidung im Agrarrat am 08.11.2019 den ► Beschluss (EU) 2019/1904 eingebracht, dass die EU-Kommission eine Studie erstellen soll, welche die Möglichkeiten einer Änderung der Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EU und den daraus resultierenden Auswirkungen auf Ökonomie und Ökologie untersuchen soll. Die EU-Kommission hat den Beschluss umgesetzt (siehe oben "Befragung zum Status der neuen Züchtungsmethoden").



bgf-Jany 07-2022

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