Kennzeichnung ohne Gentechnik

Lebensmittelkennzeichnung „ohne Gentechnik“

Genfreie Lebensmittel 1998
           Gentechnikfreiheit um
           die Jahrtausendwende

    Lebensmittel enthalten keine Gene

Gentechnikfreiheit wird heute als Beitrag zu
                  Nachaltigkeit
                  Umweltschutz
                    Qualität

betrachtet.
Vitamine und Gentechnik

Was bedeutet „ohne Gentechnik“ - Wie frei sind diese Lebensmittel von Gentechnik?

Zusammenfassung:
Alle „ohne Gentechnik“ ausgezeichneten Lebensmittel erfüllen die gesetzlichen Anforderungen. Sie sind aber nicht unbedingt ohne Gentechnik.

Lebensmittel nicht-tierischen Ursprungs können in der Regel als "ohne Gentechnik" produziert angesehen werden. Die Auslobung bewegt sich oft am Rande einer Werbung mit Selbstverständlichkeiten.

Lebensmittel tierischen Ursprungs sind oft nur nach Gesetzeslage ohne Gentechnik. Das Gesetz erlaubt zwar diese Kennzeichnung, obwohl hier Erzeugnisse aus der Gentechnik eingesetzt werden dürfen, insbesondere ist eine Fütterung der Tiere mit Futtermitteln bis 0,9% gv-Anteil erlaubt.

Die Kennzeichnung „ohne Gentechnik“ wird häufig als verkaufsförderndes Werbeelement genutzt. Nach Gesetzeslage werden mit dieser Auslobung Verbraucher nicht getäuscht. Verbraucher werden aber kaum darüber informiert, was die Kennzeichnung „ohne Gentechnik“ tatsächlich bedeutet.

Anwendungen aus der Gentechnik in der Landwirtschaft und bei Lebensmitteln werden von deutschen Verbrauchern mehrheitlich abgelehnt. Die Gründe sind vielfältig: Sie reichen von „Eingriff in die göttliche Schöpfung“, „Ungeahnte Gefahren für Mensch und Umwelt“, „Abhängigkeit der Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion von Großkonzernen“ bis „Es bestehe kein Bedarf für diese neuen Techniken“. Die heutigen Argumente sind mit denen gegen die Milchpasteurisierung von 1903 vergleichbar. Gegenwärtig gibt es auf dem deutschen Markt kaum Lebensmittel bei denen in der Zutatenliste vermerkt ist: xxx* "genetisch verändert". Positiv gekennzeichnete Lebensmittel gelangen nicht in den Handel. Falls aus Versehen doch einmal ein Produkt ins Regal gelangt, so wird dies medienwirksam angeprangert und bekämpft. Hier wird die so oft beschworene Wahlfreiheit von Verbrauchern massiv eingeschränkt. Verbraucher können bei verarbeiteten Lebensmitteln kaum erkennen, ob Lebensmittel mit oder ohne Gentechnik produziert wurden und dies vor dem Hintergrund, dass mehr als 70% der verarbeiteten Lebensmittel mit der Gentechnik in Berührung gekommen sind. Daher forderten Verbraucher- und Umweltschutzverbände, Organisationen des ökologischen Landbaus, der Kirchen usw. seit Verabschiedung der Novel Food Verordnung (EG) Nr. 258/1997 und der Verordnungen (EG) Nr. 1829/2003 und 1830/2003 eine gesetzliche Möglichkeit, Lebensmittel mit dem Etikett „gentechnikfrei“ kennzeichnen  zu dürfen. Als Hauptkriterium für diese besondere Auslobung sollte gelten, dass das Lebensmittel während seiner Entstehung in keiner Weise mit der Gentechnik in Berührung gekommen ist. Diese besondere Auslobung sollte dabei freiwillig und direkt im Sichtfeld der Verpackung erfolgen.
  • „Wir sollen uns nicht in die Natur einmischen“
  • "Dieser Prozess verändert die Eigenschaften des Lebensmittels. Gefährliche und unbekannte  Substanzen können gebildet werden“
  • „Dieser Prozess könnte nicht sachgerecht durchgeführt werden und vorhergesehene Vorfälle können passieren“
  • „Es besteht kein Bedarf dafür und er ist unnötig“
                        Argumente gegen die                         Milchpasteurisierung 1903

Verpackung / Aufmachung eines Lebensmittels dienen dem Schutz des Produktes und zur Information von Verbrauchern. Über die Aufmachung wird der Verbraucher nicht allein über den Namen bzw. über die Bezeichnung informiert, sondern über Bildmotiv, Farbe, Schriftzug und dessen Aussage usw. soll er gerade zum Kauf dieses Erzeugnisses animiert werden. Zutatenliste und Nährwerttabelle informieren ihn über Inhaltstoffe und ernährungsphysiologische Bedeutung. Siegel und sonstige Auslobungen dienen zum Kaufanreiz hinsichtlich sozialer, ethischer oder weltanschaulicher Einstellungen (Präferenzen). Den Angaben, auch wenn sie freiwillig erfolgen, sind Grenzen gesetzt. Sie müssen den Vorgaben aus Artikel 7 der Lebensmittelinformationsverordnung (EU) Nr. 1169/2011 (LMIV) entsprechen.
Artikel 7: Lauterkeit der Informationspraxis
(1) Informationen über Lebensmittel dürfen nicht irreführend sein, insbesondere
a) in Bezug auf die Eigenschaften des Lebensmittels, insbesondere in Bezug auf Art, Identität, Eigenschaften, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprungsland oder Herkunftsort und Methode der Herstellung oder Erzeugung;
b) indem dem Lebensmittel Wirkungen oder Eigenschaften zugeschrieben werden, die es nicht besitzt;
c) indem zu verstehen gegeben wird, dass sich das Lebensmittel durch besondere Merkmale auszeichnet, obwohl alle vergleichbaren Lebensmittel dieselben Merkmale aufweisen, insbesondere durch besondere Hervorhebung des Vorhandenseins oder Nicht-Vorhandenseins bestimmter Zutaten und/oder Nährstoffe;
d) indem durch das Aussehen, die Bezeichnung oder bildliche Darstellungen das Vorhandensein eines bestimmten Lebensmittels oder einer Zutat suggeriert wird, obwohl tatsächlich in dem Lebensmittel ein von Natur aus vorhandener Bestandteil oder eine normalerweise in diesem Lebensmittel verwendete Zutat durch einen anderen Bestandteil oder eine andere Zutat ersetzt wurde;
(2) Informationen über Lebensmittel müssen zutreffend, klar und für die Verbraucher leicht verständlich sein.

Für freiwillige Auslobungen (§32) wird auf die Bestimmungen in §7 verwiesen. Eine Werbung mit Selbstverständlichkeiten soll ausgeschlossen werden.

Kurz gefasst: Die Kennzeichnung von Lebensmitteln dient Verbrauchern zur Information (z.B. Zutatenliste) und zur Kaufentscheidung (z.B. „ohne Gentechnik“).

EGGenTDurchfGesetz - Auslobung „Ohne Gentechnik“

Für die Auslobung "ohne Gentechnik" findet das nationale EGGenTDurchfGesetz (Gesetz zur Durchführung der Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union auf dem Gebiet der Gentechnik und über die Kennzeichnung ohne Anwendung gentechnischer Verfahren hergestellter Lebensmittel) Anwendung. Dieses deutsche Gesetz muss im Zusammenhang mit den EU-Verordnungen Nr. 1829/2003 (Zulassung, Kennzeichnung), Nr. 1830/2003 (Rückverfolgbarkeit) und der Ökoverordnung Nr. 834/2007 betrachtet werden.

Für die freiwillige Kennzeichnung eines Produktes mit „ohne Gentechnik“ müssen die Voraussetzungen nach § 3a, Abs. 2 - 5 erfüllt und zusätzlich die entsprechenden Nachweise nach § 3b des EGGenTDurchfG erbracht werden.

Abs. 1 Es darf nur die Angabe „ohne Gentechnik“ verwendet werden.

Abs. 2 Es dürfen keine Lebensmittel und Lebensmittelzutaten verwendet werden, die nach 1. Artikel 12 und 13 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 oder 2. Artikel 4 oder 5 der Verordnung (EG) Nr. 1830/2003 gekennzeichnet sind oder, soweit sie in den Verkehr gebracht würden, zu kennzeichnen wären.

Abs. 3 Es dürfen keine Lebensmittel und Lebensmittelzutaten verwendet werden, die in den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 fallen, aber nach Artikel 12 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 oder Artikel 4 Abs. 7 oder 8 oder Artikel 5 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1830/2003 von den Kennzeichnungsvorschriften ausgenommen sind.

Abs. 4 Im Falle eines Lebensmittels oder einer Lebensmittelzutat tierischer Herkunft darf dem Tier, von dem das Lebensmittel gewonnen worden ist, kein Futtermittel verabreicht worden sein, das nach 1. Artikel 24 und 25 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 oder 2. Artikel 4 oder 5 der Verordnung (EG) Nr. 1830/2003 gekennzeichnet ist oder, soweit es in den Verkehr gebracht würde, zu kennzeichnen wäre. Für den Zeitraum vor Gewinnung des Lebensmittels, innerhalb dessen eine Verfütterung von genetisch veränderten Futtermitteln unzulässig ist, gelten für die in der Anlage genannten Tierarten die dort geregelten Anforderungen.

Abs. 5 Zum Zubereiten, Bearbeiten, Verarbeiten oder Mischen eines Lebensmittels oder einer Lebensmittelzutat dürfen keine durch einen genetisch veränderten Organismus hergestellten Lebensmittel, Lebensmittelzutaten, Verarbeitungshilfsstoffe sowie Stoffe im Sinne des § 5 Abs. 2 der Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1999 (BGBl. I S. 2464), die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 18. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3011) geändert worden ist, verwendet worden sein. Satz 1 gilt nicht für Lebensmittel, Lebensmittelzutaten, Verarbeitungshilfsstoffe sowie Stoffe im Sinne des § 5 Abs. 2 der Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung, für die auf Grund einer Entscheidung oder eines Beschlusses der Europäischen Kommission nach Artikel 22 Abs. 2 Buchstabe g in Verbindung mit Artikel 37 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates vom 28. Juni 2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr.2092/91 (ABl. EU Nr. L 189 S. 1) eine Ausnahme zugelassen ist.

Für das Inverkehrbringen von „ohne Gentechnik“ gekennzeichneten Lebensmittel müssen die nach §3b geforderten Nachweis für die Gentechnikfreiheit erbracht werden.

Als Nachweise gelten:

1.  verbindliche Erklärungen des Vorlieferanten, dass die Voraussetzungen für die Kennzeichnung erfüllt sind,

2.  in den Fällen des § 3a Abs. 2 und 4 Etiketten oder Begleitdokumente der verwendeten Ausgangserzeugnisse oder

3.  im Fall des § 3a Abs. 3 Analyseberichte oder eine Dokumentation, aus der mit hinreichender Sicherheit hervorgeht, dass die Voraussetzung für die Kennzeichnung erfüllt ist.

Können diese Nachweise nicht erbracht werden, ist die Auslobung „ohne Gentechnik“ nicht erlaubt. Beachtet werden sollte hier, dass es sich in der Regel um „Papierzertifikate“ handelt. Für Erfüllung der Kriterien 1 - 3 sollten unbedingt analytische Eigenkontrollen bei Produkten, wo dies angezeigt erscheint und auch möglich ist, durchgeführt werden.
Das Gesetz schreibt den Wortlaut der Auslobung mit „ohne Gentechnik“ vor. Ein anderer Wortlaut ist nicht zulässig. Die Nutzung des Siegels „ohne Gentechnik“ eines Verbandes (hier: Verband Lebensmittel ohne Gentechnik e.V (VLOG)) kann das Gesetz natürlich nicht vorschreiben. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat das Siegel warenzeichenrechtlich geschützt. Es hat den VLOG exklusiv mit der Vergabe des Siegels betraut und hofft auf dessen breite Nutzung für eine einheitliche Information von Verbrauchern. Aber jegliche andere Kenntlichmachung eines Erzeugnisses mit der Aufschrift „ohne Gentechnik“ (z.B. Landliebe-Milch, Alpro-Sojamilch) ist bei Erfüllung der oben erwähnten Anforderungen (§ 3a, 3b) erlaubt.
Label für die Kennzeichnung
Die „ohne Gentechnik“ ausgelobten Lebensmittel dürfen keine GVO darstellen, aus GVO hergestellt worden sein oder Bestandteile aus GVO enthalten, auch wenn diese zufällig oder technisch unvermeidbar sind. Der in VO (EG) Nr. 1829/2003 geltende Schwellenwert von 0,9% greift nicht. Bei strenger Auslegung des Wortlauts würde hier die Null-Toleranz anzuwenden sein. Aus dem Gesetz geht nicht hervor, ob es sich um eine absolute Null-Toleranz handelt oder ein Richtwert bis 0,1% toleriert werden kann. Die deutschen Überwachungsbehörden akzeptieren in der Regel für die Auslobung gv-Spuren bis maximal 0,1%.

Der Wert von 0,1% ist kein gesetzlicher Richtwert.

Erzeugnisse, die mit Hilfe von GVO hergestellt werden, sind nach Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 nicht kennzeichnungspflichtig. Aber nach EGGenTDurchfG (§ 3a, Abs. 3) ist die Verwendung von Produkten, wie Enzyme, Vitamine, Aromen, Aminosäuren usw. in / für Lebensmittel verboten. Ausnahmen hiervon sind in §3a, Abs.5 geregelt. Meistens sind dies Produkte, die nicht in gleicher Qualität, Menge oder akzeptablen Preis aus konventionellen Herstellungsverfahren zur Verfügung stehen oder nach der Öko-Verordnung erlaubt sind.
Für Lebensmittel tierischen Ursprungs (Eier, Milch, Fleisch usw.) greift § 3a, Abs. 4. Tiere dürfen nicht mit kennzeichnungspflichtigem Futtermittel gefüttert werden, d.h. es dürfen Futtermittel mit max. 0,9% gv-Anteil verwendet werden, wenn dieser nachweislich zufällig oder technisch unvermeidbar sind. Der für Lebensmittel akzeptierte Richtwert von 0,1% wird nicht angewandt. Zusätzlich gilt, dass bis zu einem bestimmten Zeitpunkt Tiere (Wiederkäuer, Schweine, Geflügel) auch mit kennzeichnungspflichtigen Futtermitteln gefüttert werden dürfen (§3a, Satz 2, Anlage, Tab.1). So muss z.B. die Fütterung von Milchkühen mit kennzeichnungspflichtigen Futtermitteln drei Monate zuvor eingestellt worden sein, damit eine Auslobung der Milch mit „ohne Gentechnik“ erfolgen darf. Hier ging der Gesetzgeber davon aus, dass, ähnlich wie in VO (EG) 1829/2003, durch die Metabolisierung der gv-Bestandteile in körpereignen Substanzen keine „Gentechnik“ mehr in dem Lebensmittel vorhanden ist.
Kennzeichnung tierischer Produkte
Anlage zu §3a Abs.4 Satz 2
Tab. 1:Zeitraum vor Gewinnung des Lebensmittels, innerhalb dessen eine Fütterung von genetisch veränderten Futtermitteln
          unzulässig ist
gv-Futtermitteleinsatz bei Tieren für ohne Gentechnik Kennzeichnung
Futtermittelzusatzstoffe, die GVO sind oder aus GVO gewonnen werden, dürfen nicht verwendet werden. Dagegen jedoch: Für Futtermittelzusatzstoffe, die mit Hilfe von GVO gewonnen werden, bestehen keine Einschränkungen. Auch das Verbot von Tierarzneimitteln besteht nicht mehr. Ebenso schränkt das EGGenTDurchfG im Gegensatz zur Ökoverordnung die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln, Düngemitteln und Bodenverbesser nicht ein.

Zertifizierte Bio- bzw. Ökobetriebe arbeiten grundsätzlich ohne Gentechnik und ihre Erzeugnisse unterliegen der Ökoverordnung Nr. 834/2007. Nach Artikel 9 besteht ein umfassendes Verbot der „Gentechnik“. Dennoch dürfen Bioprodukte nicht automatisch „ohne Gentechnik“ ausgelobt werden; auch sie müssen die Anforderungen nach EGGenTDurchfG (§3a, § 3b) erfüllen. In Tabelle 2 sind die Unterschiede zusammengefasst.

Tab. 2: Unterschiede für die Kennzeichnung nach den aufgeführten Verordnungen
Kennzeichnung-Vergleich nach den Verordnungen
                                                                                                   modifiziert nach: Jany (2009) und ALS-Stellungnahme
Bis 2008 galt für die Kennzeichnung „ohne Gentechnik“ die Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutaten-Verordnung (NVL). Die Voraussetzungen für die Auslobung waren nach § 5: Das Lebensmittel
i.   besteht nicht aus einem GVO oder enthält keine GVO,
ii.  enthält keine Stoffe aus einem GVO bzw. bei der Herstellung wurden keine Stoffe aus GVO eingesetzt,
iii. dürfen nicht von Tieren stammen, denen Futtermittel, Futtermittelzusatzstoffen oder Arzneimittel aus GVO verabreicht wurden.
Diese Anforderungen waren hoch. Insbesondere Punkt iii. ließ sich für die Umsetzung einer Kennzeichnung nur sehr schwierig realisieren. Daher nicht verwunderlich: Nur sehr wenige so gekennzeichnete Lebensmittel waren auf dem Markt

Bei diesen Lebensmitteln (vornehmlich Milch) konnten Verbraucher sicher sein, dass das Erzeugnis auf keiner Entstehungsstufe mit der Gentechnik in Berührung gekommen war. Es war tatsächlich ohne Gentechnik. Das Lebensmittel entsprach den Vorstellungen von Verbrauchen über die Bedeutung des Begriffes „ohne“. Dieser Sinn des Wortes „ohne“ im Bereich gv- und nicht gv-Lebensmittel entsprach aber nicht der Vorstellung von Verbraucherverbänden, NGOs und Politik. Das Gesetz sei unpraktikabel und zu leicht könne der Eindruck entstehen, es gäbe überhaupt keine gentechnikfreien Lebensmittel mehr. Deshalb sollte im Rahmen einer Änderung des Gentechnikgesetzes (GenTG) auch die NVL modifiziert werden. Mit der Novellierung sollten
a) die Anforderungen für die Auslobung „ohne Gentechnik“ reduziert,
b) das nationale Gesetz an die Europäischen Verordnungen angepasst und
c) Anreize für die Nutzung einer Kennzeichnung „ohne Gentechnik“ geschaffen werden.

Die gewünschte Novellierung der NVL muss auch vor dem Hintergrund gesehen werden, dass zum Unmut von Verbraucherverbänden und Teilen der Politik tierische Produkte nach der VO (EC) Nr. 1829/2003 nicht kennzeichnungspflichtig sind, wenn sie von Tieren stammen, die mit gv-Futtermitteln gefüttert wurden. Alle Bestrebungen einer Änderung der Gesetzeslage scheiterten auf europäischer Ebene. Eine besondere Auslobung von Produkten, die von Tieren stammen, die mit gentechnikfreien Futtermitteln gefüttert wurden, wurde daher auf nationaler Ebene angestrebt.

Die NVL unterschied nicht zwischen Lebensmitteln tierischen und nicht-tierischen Ursprungs. Alle Lebensmittel durften auf keiner Entstehungsstufe mit der Gentechnik in Berührung kommen. Letztlich auf Druck von Politik, insbesondere der SPD, Verbraucherverbänden und von NGOs wird im EGGenTDurchfGesetz nun diese Unterscheidung vorgenommen. Für die Lebensmittel nicht-tierischen Ursprungs bestehen zwischen der NVL und dem EGGenTDurchfGesetz nur marginale Unterschiede; die Anforderungen bleiben weiterhin hoch. Für Lebensmittel tierischen Ursprungs wird die Nicht-Kennzeichnungspflicht der verwendeten Futtermittel bzw. von Zusätzen nach VO (EC) Nr. 1839/2003 für eine Auslobung „ohne Gentechnik“ zum Maßstab. Futtermittel bis zu 0,9 % an zufälligen oder technologisch unvermeidbaren Beimengungen werden als gentechnikfrei angesehen bzw. definiert. Ihrer Verwendung steht einer Auslobung „ohne Gentechnik“ nicht entgegen. Ebenso ist die Fütterung mit kennzeichnungspflichtigen gv-Futtermitteln bis zu einem bestimmten Zeitraum erlaubt (Tab.1).

Futtermittelzusätze, die mit Hilfe der Gentechnik hergestellt werden fallen nicht unter den Anwendungsbereich der VO (EC)Nr. 1829/2003, sofern keine rekombinierte DNA oder der GVO nicht im Erzeugnis vorhanden ist. Sie sind nicht kennzeichnungspflichtig. Alles, was in der Tierernährung nicht kennzeichnungspflichtig ist, wird nun als „gentechnikfrei“ angesehen. Sie erfüllen somit die Voraussetzungen für die Auslobung „ohne Gentechnik“.

Mit der Unterscheidung zwischen Lebensmittel tierischen und nicht-tierischen Ursprungs wurde erreicht, dass tierische Erzeugnisse auch dann als „ohne Gentechnik“ ausgelobt werden dürfen, wenn sie mit der Gentechnik in Berührung gekommen sind. Der Gesetzgeber hat für Lebensmittel tierischen Ursprungs die Bedeutung des Wortes „ohne“ dahin abgeändert, dass unter „ohne“ auch ein wenig oder ein bisschen Gentechnik akzeptiert werden kann (soll).

Wie zu erwarten, wurde das EGGenTDurchfGesetz unterschiedlich aufgenommen. Verbraucherverbände und Politik (SPD 1) feierten es als einen großen Erfolg für Verbraucher. Endlich kann bei Lebensmitteln tierischen Ursprungs zwischen gentechnikfreien Erzeugnissen und Produkten mit Gentechnik unterschieden werden. Große Teile der Lebensmittelwirtschaft und Juristen sehen in dem Gesetz jedoch eine erlaubte, staatlich sanktionierte Verbrauchertäuschung (Voigt und Grube (2013)).

Eine repräsentative Verbraucherbefragung durch das Institut für Agrarpolitik und Marktforschung der Universität Gießen zeigt, dass die Verbrauchererwartungen der Negativ-Kennzeichnung von den Vorstellungen der Politik grundlegend abweichen. „Stellt man die Erwartungen der Verbraucher an die Kennzeichnung „ohne Gentechnik“ den Anforderungskriterien des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes (EGGenTDurchfG) gegenüber, zeigt sich, dass jene Lockerungen, die durch die neuen gesetzlichen Regelungen im Mai diesen Jahres eingeführt wurden, von den Verbraucher nicht akzeptiert werden. Die Verbrauchererwartungen stimmen nicht mit den Kriterien der Kennzeichnungsregelung überein. Von den meisten Verbrauchern wird mit der Kennzeichnung „ohne Gentechnik“ ein gentechnikfreies und natürliches Produkt verbunden. 90% der Nennungen in der Kategorie „ohne Gentechnik“ führten konkret aus, dass entweder keine Gentechnik im Produkt selbst oder während des Produktionsprozesses erwartet wird. Insgesamt erwarten 28,3 % der Verbraucher ungestützt von einem als gentechnikfrei gekennzeichnetem Produkt, dass während des Herstellungsprozesses keinerlei Gentechnik zum Einsatz kam. Die Verbraucher erwarten, dass die Tiere, aus denen die tierischen Lebensmittel hergestellt werden, nicht mit genmanipulierten Futtermitteln gefüttert und auch nicht in ihrem Erbgut manipuliert wurden." (Abschlussbericht: Lebensmittelkennzeichnung „ohne Gentechnik“: Verbraucherwahrnehmung und –verhalten, 2008)

Bereits kurz nach Inkrafttreten des Gesetzes forderte die SPD (SPD 2) zur Information der Verbraucher ein einheitliches Logo für gentechnikfreie Lebensmittel. Mit der Vergabe dieses Logos sollten einheitliche Standards gesetzt und die Einhaltung der Standards sollten durch eine „Stelle“ zertifiziert werden. Das Logo sollte eine Garantie für die Gentechnikfreiheit sein, so wie sie der Gesetzgeber sieht. Am 10. August 2009 stellte Landwirtschaftsministerin Aigner das „ohne Gentechnik“ Siegel der Öffentlichkeit vor und betonte: „Die Einführung des "ohne Gentechnik" –Siegels hat die Wahlfreiheit der Verbraucherinnen und Verbraucher gestärkt.“ und stellte heraus. „Das "ohne Gentechnik"- Siegel des BMEL gibt Verbraucherinnen und Verbrauchern Sicherheit: Bei so gekennzeichneten Lebensmitteln werden besonders hohe Anforderungen an den Nachweis gestellt, dass keine gentechnisch veränderten Bestandteile vorhanden sind." (BMEL)

Mit der Vergabe des Siegels wurde der Verband für Lebensmittel ohne Gentechnik e.V. (VLOG) betraut. Die Überwachung der Einhaltung der Kriterien nach § 3a, §3b des EGGenTDurchfG obliegt der amtlichen Lebensmittelüberwachung.

Lebensmittel tierischen Ursprungs

Wie zu erwarten, erwies sich für die Auslobung „ohne Gentechnik“ die Differenzierung zwischen Lebensmittel tierischen und nicht-tierischen Ursprungs als vorteilhaft. Die  ► VLOG-Produktdatenbank führt 24 Produktgruppen und von den ca. 4000 gelisteten Erzeugnissen sind 2122 Lebensmittel aus tierischer Urproduktion, angeführt von Geflügelfleisch (1286), Milch (470), Eiern (366) (in gewissem Umfang gehören hierzu auch Eiernudeln (ca. 300)). Bei der Anzahl der Produkte muss jedoch beachtet werden, dass z.B. von dem gentechnikfreien Hähnchen abgeleitet auch die Folgeprodukte wie Unterschenkel, Oberschenkel, Brust, Hühnerklein, usw. als „ohne Gentechnik“ ausgewiesen werden. Ähnliches gilt auch für das Lebensmittel „Milch“ (Frischmilch, Milch mit 1,5% und 3,5 % Fettgehalt in
500 ml und 1000 ml Verpackung oder als haltbare Milch usw.) oder Eier in unterschiedlichen Verpackungsgrößen. Allein durch das maschinelle Zerkleinern, Formen, Abfüllen oder Umverpacken gelangt sicherlich keine Gentechnik in die Produkte. All diese Erzeugnisse sind Folgeprodukte des ursprünglichen Lebensmittels. (Stand: 30.09.2016)

Milch, Eier, Geflügel

Milch
Auswahl:
LIDL; “ Milbona“: Frischmilch (1,5 %) und frische Vollmilch (3,5%) , H-Milch (1,5% und 3,5%), Bio-ESL-Milch (1,5% und 3,8%) und Bio-H-Milch (1,5%);
ALDI-Süd; „Milfina“: Frischmilch (1,5 % Fett) und frische Vollmilch (3,8%), Trinkmilch und H-Milch (1,5% und 3,5%)

Als Besonderheit bei der Bewerbung tierischer Produkte wie Milch, Eier und Geflügel mit dem Siegel „ohne Gentechnik“ wird häufig auf die Aussage von Frau Ministerin Aigner hingewiesen „Bei so gekennzeichneten Lebensmitteln werden besonders hohe Anforderungen an den Nachweis gestellt, dass keine gentechnisch veränderten Bestandteile vorhanden sind.“ Für Milch, Eier, Geflügelfleisch ist zu hinterfragen welche Nachweise gemeint seien könnten. In wissenschaftlich kontrollierten Fütterungsstudien und bei entsprechender Stall- und Melkhygiene konnte bislang niemals ein Übergang rekombinierter DNA aus pflanzlichen Futtermitteln in Rohmilch nachgewiesen werden, d.h. es konnten keine Gene bzw. Genfragmente der neu eingeführten genetischen Information detektiert werden. In Produkten (Milch, Eier, Fleisch) wurden noch nie „gentechnisch veränderte Bestandteile“ gefunden (EFSA, De Giacomo et al. (2016)). In diesem Punkt unterscheiden sich die Produkte überhaupt nicht, gleich ob sie von Tieren stammen, die gentechnikfrei oder mit „Gentechnik“ gefüttert wurden. Aus diesem Grunde überprüfen die Überwachungsämter (ALS, LGL, CUVA) auch nicht das tierische Produkt sondern das Futtermittel, ob das Erzeugnis (Milch, Eier, Fleisch) den Anforderungen der Auslobung „ohne Gentechnik“ entspricht. Die Abwesenheit von gentechnisch veränderten Bestandteilen ist für Milch, Eier, (Geflügel-)Fleisch kein besonderes Freistellungsmerkmal!

Die Werbeaussage „Garantiert frei von gentechnisch veränderten Organismen“ ist sicherlich richtig. Aber stellt dies nicht eine Selbstverständlichkeit dar? Einerseits muss man sich fragen, wie kommen solche Organismen in die Produkte (Hygieneprobleme, Erkrankungen der Tiere) und anderseits sind in der EU keinerlei gentechnisch veränderten Mikroorganismen als Lebensmittel oder für deren Verarbeitung (Mikroorganismen) zugelassen. Gv-Pflanzen als Organismus (Samen) können hier sicherlich nicht gemeint sein. Auch in diesem Punkt unterscheiden sich Erzeugnisse „ohne Gentechnik“ nicht von konventionellen Lebensmitteln. Würden Milch, Eier, Fleisch lebende gv-Organismen enthalten, wären sie nicht verkehrsfähig (Null-Toleranz).

Schweine- und Rinderfleisch

Das Siegel „Ohne Gentechnik“ wurde 2009 vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrauchschutz eingeführt. Lebensmittel, die damit gekennzeichnet sind, müssen hohe Anforderungen erfüllen und dürfen nachweislich keine gentechnisch veränderten Bestandteile haben. Das Siegel wird von dem Verband „Lebensmittel ohne Gentechnik e.V.“ (VLOG) vergeben. Für unsere Milch bedeutet das insbesondere: kein gentechnisch verändertes Futter für die Kühe.

                      (Aufdruck Lidl-Milch „Ohne Gentechnik“)
VLOG: Siegel
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Garantiert gentechnikfrei durch das GVO Siegel „ohne Gentechnik“
Verzicht auf gentechnikveränderte Futtermittel
NORMA ist aktives Mitglied im VLOG-Verband Lebensmittel ohne Gentechnik
Lebensmittelsicherheit durch geprüfte Qualität sowie regelmäßig Kontrollen nach nationalen sowie internationalen Standards

Im Vergleich zu Geflügelfleisch (1286) spielen gentechnikfreies Schweine- (53) und Rinderfleisch (15) nur eine untergeordnete Rolle. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Kriterien nach § 3a, §3b für die Fütterung dieser Tiere für die Fleischproduktion nicht so einfach eingehalten werden können oder dass bei (Rinder-), Bullen- und Schweinehaltern kein wirtschaftlicher Anreiz für die Auslobung „ohne Gentechnik“ gesehen wird. Die Anbieter von gentechnikfreiem Schweine- und Rinderfleisch sind meistens zertifizierte Bio-Betriebe. Allen voran die Bäuerliche Erzeugergemeinschaft BESH, Schwäbisch Hall AG mit ihren besonderem Schwäbisch Haller Schwein (41).

Honig

Die Auslobung „ohne Gentechnik“ bei (echtem) Deutschen Honig und bei Honigen aus deutschen Imkereien, die als Biobetriebe zertifiziert sind, muss mit Blick auf die langjährigen juristischen Auseinandersetzungen von Imkern und deren Verbände mit staatlichen Stellen um die „Gentechnikfreiheit“ von Honig und Entschädigungen gesehen werden. Das „deutsch“ bezieht sich auf Honig, der aus Bienenflug – Pollenernte ausschließlich in Deutschland stammt. Ansonsten dürfte Honig nicht unter dieser Verkehrsbezeichnung in den Verkehr gebracht werden (HonigV, Art 3.). In Deutschland werden seit 2013 keine gv-Pflanzen mehr angebaut oder freigesetzt, so dass Bienen keinen gv-Pollen in Honig eintragen können. Zusätzlich darf Honig entsprechend der Honigverordnung (HonigV) nichts hinzugefügt oder entzogen werden. Die Auslobung ist somit im engeren Sinne eine Werbung mit Selbstverständlichkeiten. Der VLOG hat für Imker bis 50 Völker ein vereinfachtes Anmeldeverfahren für das Siegel eingeführt und zertifizierte 88 Honige von 25 Imkereien als „Ohne Gentechnik“. Imkerverbände betrachten die Nutzung des VLOG-Kennzeichens unterschiedlich (D.I.B. Aktuell). Das Spektrum reicht von unbedingt empfehlenswert, Skepsis bis nicht notwendig. Der Verein Mellifera e.V. empfiehlt Imkern nachhaltig die Nutzung des Siegels, nicht um die Gentechnikfreiheit zu demonstrieren, sondern zur Durchsetzung von Schutzmaßnahmen oder von Schadenersatzansprüchen falls doch noch einmal gv-Pflanzen in Deutschland  angebaut werden sollten.

Eigentlich sollte es eine Selbstverständlichkeit von Imkern sein, bei der Zufütterung von Pollenersatzstoffen z.B. Feed Bee auf die Gentechnikfreiheit bzw. deren Zertifizierung zu achten. Der Berufsimkerverband als auch der Deutsche Imkerbund haben hier auf die Problematik des Eintrags von gv-Spuren hingewiesen. Falls die Nutzung des Siegels „ohne Gentechnik“ die Sensibilität für mögliche Einträge von gv-Spuren über andere Wege, auch bei der Überwinterungsfütterung steigert und vom VLOG berücksichtigt wird, kann die Nutzung des Siegels durchaus als empfehlenswert angesehen werden.

Unabhängig von einer Werbung mit Selbstverständlichkeiten können Verbraucher bei (echtem) Deutschen Honig sicher sein, gleichgültig ob die Gentechnikfreiheit besonders ausgelobt ist oder nicht, dass er frei von gv-Pollen ist.

Pollen ist ein natürlicher Bestandteil von Honig und keine Zutat im Sinne von Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe f der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011
Deutscher Honig
(4) Zusätzlich zu den nach der Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung vorgeschriebenen Angaben muss die Kennzeichnung der in Anlage 1 aufgeführten Erzeugnisse folgende Angaben enthalten, die nach Maßgabe des Absatzes 5 anzugeben sind:
das Ursprungsland oder die Ursprungsländer, in dem oder denen der Honig erzeugt wurde; bei mehr als einem Ursprungsland kann stattdessen jeweils eine der folgenden Angaben gemacht werden, sofern der Honig dort erzeugt wurde:

   a) "Mischung von Honig aus EU-Ländern",
   b) "Mischung von Honig aus Nicht-EU-Ländern",
   c) "Mischung von Honig aus EU-Ländern und
        Nicht-EU-Ländern"

Lebensmittel nicht tierischen Ursprungs

Teigwaren

Die Produktgruppe Teigwaren umfasst 320 Erzeugnisse, die sich auf 4 Unternehmen verteilen, wobei 87% der Produkte von einer einzigen Firma gestellt werden. Innerhalb dieser Gruppe kann zwischen Eier-Hartweizengries-Teigwaren und nur Hartweizengries Nudeln unterschieden werden. Die hohe Anzahl von Erzeugnissen rührt sicherlich daher, dass aus einem gentechnikfreien Nudelteig z.B. Bandnudeln unterschiedlicher Breite oder Dicke oder unterschiedlicher Formen, wie Schnecken oder Spiralen usw. produziert werden. Die Auslobung bezieht sich auf das Lebensmittel „Nudel“. Für Eier ist diese Auslobung nachvollziehbar. Aber Hartweizengries? Weltweit wird weder gv-Durrumweizen noch sonstiger gv-Weizen angebaut. Keine gv-Weizen-Varietät ist für die Vermarktung zugelassen. Jegliche Spuren von gv-Weizen würden die Verkehrsunfähigkeit für das Produkt bedeuten. Dieser gentechnikfreie Hartweizengries unterscheidet sich nicht von konventionellem. Leicht könnte ein Konflikt zu Artikel 7 der LMKV konstruiert werden. Aber hier kommt die Aussage von Frau Ministerin Aigner, dass „hohe Anforderungen an den Nachweis gestellt (werden), dass keine gentechnisch veränderten Bestandteile vorhanden sind“ zum Tragen. Die Unternehmen lassen offensichtlich besonders umfänglich jede Charge ihres Rohproduktes  „Hartweizen“ auf Spuren aller bekannten gv-Pflanzen und sonstige biologische Beimischungen untersuchen. Hierin möchten sich die „ohne Gentechnik“ Teigwarenanbieter von anderen Hartweizen-Verarbeitern unterscheiden bzw. abgrenzen.
Eier-Hartweizengries-Nudeln unterschiedlicher Breiten und Formen hergestellt aus einer Nudelteigmasse.
Eier und Teigwaren

Backwaren

Für die Produkte (Bio-) Weizen-, Dinkel-, und Roggenschrot lassen sich die obigen Ausführungen übertragen. Allein durch das Schroten / Mahlen und Verpacken kommen die Erzeugnisse sicher nicht mit Gentechnik in Kontakt. Prinzipiell unterscheiden sich die ausgelobten Produkte nicht von vergleichbaren konventionellen.

Anders bei Mehlen und Backwaren: Hier bedeutet die Auslobung „ohne Gentechnik“, dass die Erzeugnisse / Produkte nicht mit der Gentechnik in Berührung gekommen sind. Sie unterscheiden sich von nicht ausgelobten durch den Ausschluss von Zutaten, Zusatzstoffen, Hilfsstoffen (Enzymen) aus gv-Organismen bzw., die mit Hilfe von gv-Organismen produziert werden. Die überwiegende Anzahl der ausgelobten Getreideprodukte und Backwaren stammen von zertifizierten Bio-Betrieben, die bereits per Definition / nach der Öko-Verordnung ohne Gentechnik arbeiten/produzieren. Aber im Unterschied zur Öko-Verordnung gilt für die Kennzeichnung „ohne Gentechnik“ der Grenzwert 0,9% für zufällig oder technologisch unvermeidbare Beimengungen nicht. Es werden höhere Anforderungen gestellt als an das „reine“ Bioprodukt.

Viele Bio-Backwaren tragen nicht nur das Siegel „ohne Gentechnik“ sondern sind auch gleich noch versehen mit: vegan, laktosefrei, ohne Zusatzstoffe und künstliche Aromen. Hier dient das „ohne Gentechnik“ möglicherweise noch als i-Tüpfelchen für den Kaufanreiz.

Bier

Biere, die nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut werden, sollten eigentlich nur die Zutaten Malz, Hopfen, Hefe und Wasser enthalten. Geforscht wird jedoch an den ersten drei Zutaten. Keines dieser Zutaten ist als Erzeugnis aus der Gentechnik zugelassen. Dennoch sind Biere, gebraut nach dem Reinheitsgebot, in Deutschland als „ohne Gentechnik“ gekennzeichnet. Diese Brauereien wollen ihre Biere von anderen Bieren auf dem deutschen Markt unterschieden wissen, die nicht nach dem Reinheitsgebot gebraut wurden. Denn in diesen Bieren darf z.B. auch Mais verwendet, exogene Enzyme im Mälzprozess oder zu Klärung eingesetzt werden. Brauereien, die den Schriftzug „ohne Gentechnik“ verwenden, wollen damit demonstrieren, dass sie nicht nur nach dem Reinheitsgebot brauen, sondern auch bei der Auswahl ihrer Rohstoffe für den Brauprozess besondere Sorgfalt walten lassen und auf die Gentechnikfreiheit achten. Die Kennzeichnung „ohne Gentechnik“ darf aber nicht dahin überinterpretiert werden, dass andere Brauereien weniger ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen oder gar Stoffe aus der Gentechnik einsetzen. Für sie ist es eine Selbstverständlichkeit, ihre Biere gentechnikfrei zu brauen. Sie erachten eine Auslobung „ohne Gentechnik“ für ihre Produkte als nicht notwendig.
Bier  ohne Gentechnik
Auf dem Internetportal Lebensmittelklarheit wurde bereits die Frage nach der Gentechnikfreiheit bei Nutzung des Siegels „ohne Gentechnik“ eingestellt,  und sie wurde sehr ehrlich beantwortet:

 „Ganz ohne Gentechnik geht es heute kaum noch. Wir stimmen Ihnen zu, dass dies nicht 100 Prozent konsequent ist und beim Verbraucher Fragen aufwirft. Hier hilft es, die Hintergründe dieser Ausnahmeregelungen zu kennen. Viele Arzneimittel, Impfstoffe sowie Futtermittelzusätze wie Vitamine werden mit Hilfe von gentechnisch veränderten Mikroorganismen hergestellt. Aus unserer Sicht ist die Kennzeichnung „ohne Gentechnik“ durchaus eine wichtige und schnelle Information für Verbraucher, die Gentechnik in Lebensmitteln ablehnen. Wir sind uns aber bewusst, dass sie für einen Teil der Käufer nicht streng genug geregelt ist. Sie ist als Kompromiss anzusehen.“

Die Kennzeichnung „ohne Gentechnik“ wird häufig als Verkaufsargument genutzt und Verbrauchern wird suggeriert, dass die Lebensmittel besonders nachhaltig und umweltschonend produziert wurden, sie völlig frei von „Gentechnik  wären und daher von besonderer Qualität sind. Wie im Verbraucherportal angedeutet, wird aber nicht darüber informiert, was „ohne Gentechnik“ tatsächlich bedeutet und dass die Gesetzeslage für die Auslobung viele Ausnahmen zulässt.

Fazit: Nicht alle Lebensmittel, insbesondere tierischen Ursprungs, sind bei einer Kennzeichnung
„ohne Gentechnik“ tatsächlich gentechnikfrei.
Referenzen:
Gesetze/ EU-Verordnungen

► EGGenTDurchfG:  Gesetz zur Durchführung der Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet der Gentechnik und über die Kennzeichnung
        ohne Anwendung gentechnischer Verfahren hergestellter Lebensmittel (EG-Gentechnik- Durchführungsgesetz – EGGenTDurchfG). "EG-Gentechnik-
        Durchführungsgesetz vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S. 1244), zuletzt geändert durch die Bekanntmachung vom 27. Mai 2008 (BGBl. I S. 919)"

► HonigV:  Honigverordnung vom 16. Januar 2004 (BGBl. I S. 92), die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 30. Juni 2015 (BGBl. I S. 1090) geändert
        worden ist
► LMIV:  Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über
        Lebensmittel und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1924/2006 und (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur
        Aufhebung der Richtlinie 87/250/EWG der Kommission, der Richtlinie 90/496/EWG des Rates, der Richtlinie 1999/10/EG der Kommission, der Richtlinie
        2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 2002/67/EG und 2008/5/EG der Kommission und der Verordnung (EG) Nr.
        608/2004 der Kommission.Abl L 304, 18 – 63 (2011)
► Öko-Verordnung: EG-Öko-Basisverordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates vom 28. Juni 2007 über die ökologische/biologische Produktion und die
        Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91. ABl. L 189, 1
► VO (EG) Nr. 1829/2003: Verordnung des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 22. September 2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und
        Futtermittel. ABl L 268, 1-23
► VO (EG) Nr. 1830/2003: Verordnung des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 22.September 2003 über die Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung
       von genetisch veränderten Organismen und über die Rückverfolgbarkeit von aus genetisch veränderten Organismen sowie zur Änderung der Richtlinie
       2001/18/EG. ABl L268, 24-28
► Novel Food Verordnung: Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 27.Januar 1997 über neuartige Lebensmittel und
       neuartige Lebensmittelzutaten. ABl. L 43, 1-6
► NVL: Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutaten-Verordnung

Literatur

► ALS-Stellungnahme Nr. 2016/01: Leitfaden zur Kontrolle gentechnischer Veränderungen in Lebensmitteln. Stellungnahme erarbeitet durch die ALS-
       Arbeitsgruppe „Überwachung gentechnisch veränderter Lebensmittel“

► Abschlussbericht: Lebensmittelkennzeichnung „ohne Gentechnik“: Verbraucherwahrnehmung und –verhalten, 2008

► BMEL: "Ohne Gentechnik"-Siegel: Mehr Transparenz und Wahlfreiheit beim Lebensmitteleinkauf

► CVUA Freiburg: Gentechnik und Lebensmittel 2015 - Die Untersuchungsergebnisse aus Baden-Württemberg

► De Giacomo M. et al. (2016): Carry-over of DNA from genetically modified soyabean and maize to cow’s milk. Journal of Animal and Feed Sciences, 25,
    2016, 109–115

► D.I.B. Aktuell 2/2015:
Kennzeichnung „ohne Gentechnik“ Seite 10

►  EFSA: EFSA statement on the fate of recombinant DNA or proteins in meat, milk and eggs from animals fed with GM feed

► LGL-Bayern:
LGL Jahresbericht 2015, 71-72

► SPD 1: SPD – Unsere Handschrift, März 2008: „Ohne Gentechnik“ Klare Kennzeichnung durchgesetzt

► SPD 2: Drobinski-Weiss:Chronik der „ohne Gentechnik“-Kennzeichnung

► Portal Lebensmittelklarheit:
Milch mit der Kennzeichnung "Ohne Gentechnik" - Ist sie immer ohne Gentechnik

► VLOG:
Verband Lebensmittel ohne Gentechnik e.V.

► Gürtler P. et al. (2009): Sicherheit von GMO Mais MON810 nach langfristigem Einsatz bei Milchkühen.
    und ► http://physio.wzw.tum.de/?id=283

► Peter G., Krug O., Bendiek J. und Stolz A. (2014): Mögliche Auswirkungen einer Ausweitung der Gentechnik-Kennzeichnungspflicht auf Lebensmittel

► WGG: Lebensmittel-Kennzeichnung „Ohne Gentechnik“

Guertler P., Paul V., Albrecht C., Meyer H.H.D., 2009, Sensitive and highly specific quantitative real-time PCR and ELISA for recording a potential transfer of novel
DNA and Cry1Ab protein from feed into bovine milk. Analytical and Bioanalytical Chemistry 393: 1629-1638;

Jany, Kl.-D. (2009):„Ohne Gentechnik“ Lebensmittel-Kennzeichnung nach EGGentechnikDurchführungsgesetz. Deutsche Lebensmittel Rundschau 105,746-749

Venus T. und Wesseler J. (2012): Wieso produzieren „nur“ manche Molkereien » ohne Gentechnik«? dmz 22, 32- 34
 
Voigt, W. & Grube, M. (2013): Lebensmittelinformationsverordnung –Kommentar, 170-172.Art. 7 Rn 139-141; C.H.Beck Verlag, ISBN978 3 406 64741 3


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Präsentationen: "Ohne Gentechnik" Kennzeichnung - Wie frei sind diese Lebensmittel von Gentechnik
 
VFED- 24. ADF_Aachen2016_Ohne Gentechnik und                      DLG_2017_Fulda_Ohne Gentechnik
bgf-Jany 30.10.2016 / 25.11.2017
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