Seralini: gv-Mais Langzeitfütterungsstudie mit Ratten

Séralini et al.: gv-Mais Langzeitfütterungsstudie mit Ratten

„Gen-Mais führt zu erhöhten Krebsraten und vorzeitigem Tod“

Die Schlagzeile „Gen-Mais führt zu erhöhten Krebsraten und vorzeitigem Tod“ wurde aus der Fütterungsstudie von Séralini et al. (2012) abgeleitet. Diese Studie hatte im Herbst 2012 weltweit nicht nur in den Medien sondern auch in der Wissenschaft großes Aufsehen erregt. In dieser Langzeitfütterungsstudie hatte die Arbeitsgruppe um Séralini in einem zweijährigen Fütterungsversuch mit gv-Mais NK603 an Ratten nachgewiesen, dass die Aufnahme dieser als Lebens- und Futtermittel in der EU zugelassene Mais zu erhöhten Krebsraten in fast allen Organen führt und mit einer verringerten Überlebensrate verbunden ist.

Der hier aufgeführt Beitrag über die Langzeitfütterungsstudie von Séralini et al. (1) bezieht sich weitgehend auf den Vortrag und die Diskussion mit Prof. Séralini an der Universität Hohenheim am 06.02.2013 im Rahmen einer außeruniversitären Veranstaltung „Sicherheitsforschung im Agrarbereich am Beispiel der Glyphosat-Studie von Prof. Séralini“, die von gentechnik-kritischen Gruppen und von Studentengruppierungen organisiert wurde.


Die Veranstalter waren:

Gentechnikfreies Europa e.V. (V.i.S.d.P.), ENSSER, Aktionsbündnis gentechnikfreies Baden-Württemberg, Albert Schweizer Stiftung, Brot für die Welt.

Studentische Mitveranstalter: Food Revitalisation and Eco- Gastronomical Society Hohenheim (FRESH), Arbeitskreis Ökolandbau AKO, Grüne Hochschulgruppe Hohenheim, Greening Hohenheim, Global Campus, AK Cafete


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Versuchsdesign
Mit der Langzeitfütterungsstudie sollte die gesundheitliche Bedenklichkeit von Produkten aus GVO (hier gv-Mais NK 603) und von zwei Roundup-Formulierungen (Weather-Max und Roundup GT Plus) nachgewiesen werden, wobei das Hauptaugenmerk auf Mortalität und Cancerogenität gelegt wurde. Die Arbeitsgruppe um Séralini von der Universität Caen hatte unter größter Geheimhaltung über zwei Jahre Ratten (Harlan Sprague-Dawely) mit Mais NK603 und Roundup im Trinkwasser gefüttert. Insgesamt wurden 200 Tiere in den Versuch einbezogen und typischerweise ad libitum gefüttert. Neun Versuchsgruppen wurden mit einer Kontrollgruppe verglichen. Die Kontrollgruppe, jeweils 10 weibliche und 10 männliche Tiere, wurde mit der Standarddiät A04, die 33% konventionellen Mais enthielt, und „normalem“ Trinkwasser ernährt. Sechs Versuchsgruppen, ebenfalls jeweils 10 weibliche und 10 männliche Tiere, erhielten gv-Mais NK603 (11, 22, 33% in der Standarddiät) und gv-Mais NK 603 (11, 22, 33%) mit Roundup behandelt als Nahrungsquelle. Drei weitere Gruppen erhielten 33% konventionellen Mais aber diesmal mit 1,1%x10-8, 0,09% und 0,5% Roundup GT Plus im Trinkwasser. Nach Angaben von Séralini et al. entsprechen diese Prozentangaben Konzentrationen von 0,00005 mg/L, 400 mg/L und 2250 mg/L Glyphosat. Die Dosisauswahl wurde bewusst ausgewählt. Sie sollten Effekte nachweisen, die durch typische Anwendungen/Rückstände von Roundup auftreten könnten. Über die gesamte Versuchszeit wurde das Auftreten von Tumoren und/oder Erkrankungen beobachtet. Nach Versuchsende wurden Tiere seziert und Tumore histopathologisch/anatomisch analysiert. Nahrungs- und Wasseraufnahme sowie Gewichtszunahme der Tiere aller Versuchsgruppen wurden protokolliert. Zu 11 Zeitpunkten wurden 47 Blut- und Urinprobenparameter bestimmt; mehr als 500 Datensätze wurden erstellt.
 

Lebensdauer / Sterblichkeit

Recht lapidar beschreiben die Autoren, dass ca. 50 % der männlichen und ca. 70% der weiblichen Tiere in den Versuchsgruppen gegenüber den Tieren aus der Kontrollgruppe vorzeitig vor dem Erreichen der normalen Lebenserwartung (ca. 2 Jahre) sterben. Sie werten dies als einen deutlichen Hinweis auf die Toxizität von gv-Mais NK603 und von Roundup bzw. Glyphosat. Diese pauschalierende Betrachtungsweise ist aber nicht zulässig. Sie bezieht weder mögliche Dosiseffekte noch Unterschiede aus dem Trinkwasser- oder aus den gv-Mais NK603 Versuchen ein. Ebenfalls ist der Bezugspunkt zur Lebenserwartung der Tiere aus den Kontrollgruppen zu hinterfragen. In der Séralini-Studie treten bei der weiblichen Kontrollgruppe lediglich zwei Todesfälle auf, somit ist die Lebenserwartung der weiblichen Tiergruppe mit 80% außerordentlich hoch. Die historisch gefundenen Werte liegen dagegen bei durchschnittlich 42%. Wahrscheinlich ist diese hier beobachtete hohe Lebenserwartung rein zufällig und ergibt sich lediglich aus der zu geringen Anzahl von Versuchstieren. Bei den männlichen Tieren dagegen liegt die Lebenserwartung der Kontrolltiere in Bereich der historisch bekannten Werte. Eine separate Betrachtung der Sterblichkeit und Überlebensdauer in den Versuchsgruppen ist somit angebracht. In den hier gezeigten Abbildungen ist die Lebensdauer der Tiere aus dem Trinkwasser- und dem 33% gv-Mais NK603 mit und ohne Roundup Versuchen aus den Séralini-Daten in einer etwas anderen Form dargestellt. 

Mais NK 603 mit und ohne Roundup-Behandlung
Aufgrund der Unsicherheit der Vergleichbarkeit der Diäten werden zunächst die Ergebnisse aus den Diäten mit 33% Maisanteil betrachtet. In den Überlebensraten der Versuchstiere (männlich und weiblich) sind die Unterschiede nicht so ausgeprägt wie beim Trinkwasserversuch (Abb. IB). Aber auch bei den männlichen Tieren ist die Überlebensrate im Vergleich zur Kontrollgruppe höher (ca. 60 Tage), gleichgültig ob der Mais mit Roundup behandelt wurde oder nicht. Statistisch signifikante Unterschiede in den Todesfällen gibt es nicht. In der Kontrollgruppe wie in der Versuchsgruppe Mais NK603 mit Roundup sterben jeweils drei Tiere, wobei lediglich nur ein Tier in der Versuchsgruppe NK603 stirbt. Bei den weiblichen Tieren ergeben sich keine gravierenden Unterschiede in den Überlebensraten, allerdings treten bei der Versuchsgruppe Mais NK603 mit Roundup früher Todesfälle als in der Kontrollgruppe auf. Insgesamt treten bei der Kontrollgruppe zwei Todesfälle auf während es in der Versuchsgruppe Mais NK603 vier und in der Versuchsgruppe Mais NK 603 mit Roundup fünf Todesfälle sind (Tab. II).
         Todesfälle in der Testgruppe gv-Mais NK 603
Daten aus Abb. 1 der Séralini-Studie
*  Tiere wurden aufgrund der Größe der Tumore vorzeitig getötet.

Eine statistische Auswertung der veröffentlichten Daten nach Kaplan-Meier zeigt, dass die beobachteten Unterschiede in den Überlebensraten (Todesfällen) zwischen den Test- und Kontrollgruppen nicht signifikant sind (A2, Folien 25-27).  Die Rohdaten unterstützen die Aussagen von Séralini zur Sterblichkeit der Ratten durch die Aufnahme von gentechnisch veränderten Mais (Mais NK603) oder von Roundup nicht.

Überlebenszeit der Tiere in der Testgruppe gv-Mais NK 603
Überlebenszeit der Ratten nach Fütterung mit gv-Mais und Glyphosat
          Überlebenszeit der Tiere mit Glyphsat im Trinkwasser
Überlebenszeit nach ASufnahme von Glyphosat im Trinkwasser

Roundup im Trinkwasser  

Im Trinkwasserversuch werden Glyphosat-Konzentrationen von 50 ng/L, 400 mg/L und 2250 mg/L eingesetzt. Bei diesem großen über mehrere 10er Potenzen umfassenden Unterschieden in den Wirkstoffkonzentrationen sollten Dosiseffekte zu erwarten sein.

Bei männlichen Tieren ist kaum ein negativer Einfluss auf die Lebensdauer feststellbar. Vielmehr wirkt die höchste Glyphosatkonzentration (2,25 g/L) bei den männlichen Tieren sogar positiv auf die Lebenserwartung; eine Lebensverlängerung von fast 100 Tagen ist zu beobachten. Diese hohe Glyphosat-Konzentration scheint auch der Krebsentstehung entgegen zu wirken. Bei den niedrigeren Konzentrationen sind weder auf Lebensdauer noch auf Todesfälle signifikante Einflüsse erkennbar. Wird diese Beobachtung als Tatsache hingenommen, könnte interpretiert werden, dass Roundup für männliche Ratten eine protektive Wirkung auf Tumore und Lebenserwartung ausübt. Eine Dosis-Wirkung-Beziehung ist nicht feststellbar.

Bei den weiblichen Tieren sterben aufgrund der überraschend hohen Lebenserwartung die Tiere in den Glyphosatgruppen früher, aber tatsächliche Dosiseffekte sind auch nicht auszumachen. Die Lebensraten in den Versuchsgruppen entsprechen im Wesentlichen den historischen Daten für „unbehandelte“ Ratten. Die Menge des aufgenommenen Glyphosats ist nicht mit der Lebenserwartung korreliert. Sie hat offensichtlich keine biologische Relevanz.
Überlebende Tiere mit Glyphosat im Trinkwasser
Überlebensraten der Ratten mit Glyphosat im Trinkwasser
Betrachtet man die Todesrate über die gesamten Trinkwasser-Versuchsgruppen (männlich, weiblich), so sterben sowohl in der Kontrollgruppe als auch in der Versuchsgruppe mit der höchsten Konzentration an Round-up jeweils 5 Tiere (50%) (Abb. II). Bei den männlichen Tieren sterben fast alle Tiere unabhängig von den Round-up Konzentrationen im Greisenalter nahezu ohne auffällige Krebsbefunde, während bei den weiblichen Tieren alle Tiere ab ca. dem 300. Tag aufgrund gravierender Krebserkrankungen aus ethischen Gründen getötet werden mussten.
Bei den männlichen Tieren sterben in der Kontrollgruppe drei Tiere und in der Versuchsgruppe mit 2,25 g/L Roundup nur ein Tier spontan. Bei der geringsten Konzentration (50 ng/L) sterben, wie in der Kontrollgruppe drei Tiere (2 spontan; 1 getötet), wobei die Lebensverlängerung aber immerhin noch ca. 50 Tage beträgt.
Kein weibliches Tier stirbt spontan, alle Tiere müssen aufgrund der Krebserkrankungen getötet werden. Dies trifft auch auf die Kontrollgruppe zu. Betrachtet man die Todesfälle insgesamt, so ist keine Signifikanz oder eine biologische Relevanz von Roundup erkennbar.

Tumore und Erkrankungen

Aus Abb. 2 der Séralini-Studie können die Rohdaten zum zeitlichen Auftreten und der Anzahl von nicht regressiven fühlbaren Tumoren entnommen werden. In Tab. 3 sind die am häufigsten auftre-tenden pathologischen Befunde wiedergegeben. Aus Abb. 2 ergibt sich, dass innerhalb von 420 Tagen in den Kontrollgruppen keine Tumore auftreten, während im gleichen Zeitraum bereits 10-30% der weiblichen Tiere Tumore entwickelt haben. Bei männlichen Tieren treten dagegen z.B. bei Glyphosat im Trinkwasser (2,25 g/L) erst nach 520 Tagen Tumore auf. Diese verallgemeinernde Betrachtungsweise ist nicht zulässig. Auch hier müssen die Daten innerhalb der Versuchsgruppen separat geschlechtsspezifisch analysiert werden. Auffallend ist wieder, dass keine Dosis-Wirkungsbeziehung besteht. Fast durchgängig treten Tumore bei geringeren Maismengen oder geringeren Glyphosatkonzentrationen im Trinkwasser früher auf als bei höheren Wirkdosen. Wie bei der Sterblichkeit sind die weiblichen Tiere aufgrund ihrer generell längeren Lebenserwartung empfindlicher gegenüber Mais NK603 und Roundup im Futter als die männlichen Tiere. Diese er-höhte Empfindlichkeit gilt allerdings auch für andere Testsubstanzen und ist nicht spezifisch für Produkte aus der Gentechnik oder Roundup. Wiederum lässt sich keine Signifikanz für die beo-bachteten Tumore nachweisen. Innerhalb der Versuchsgruppen variiert die Gesamtzahl der Tumo-re nur geringfügig gegenüber den Kontrolltieren. So weist die männliche Kontrollgruppe 13 Tumore auf, während in der Testgruppe Mais gv-NK 603 mit Roundup bei den Diäten mit 11%, 22% und 33% Maisanteil und Roundup 9, 7, 10 Tumore ertastet werden. Die Anzahl der großen Tumore, wie sie auch in der Tierabbildung gezeigt werden, schwankt zwischen 1 und 3. Bei den weiblichen Tieren treten mehr Tumore auf. Bei der Kontrollgruppe sind es 19, während bei den Diäten mit 11%, 22% und 33% Maisanteil und Roundup über 21,19 und 24 berichtet wird. Die Anzahl der großen Tumore schwankt in der Gesamtgruppe (Kontrolle und Versuchsgruppen) zwischen 6 und 9. Diese geringfügigen Unterschiede können bei der geringen Anzahl von Versuchstieren nicht als signifikant betrachtet werden. Ein Einfluss auf die Entstehung und eine vermehrte Anzahl von Tumoren durch die Aufnahme von gv-Mais NK603 und Roundup lassen sich aus den veröffentlichten Daten nicht ableiten.
Tumore im gv-Mais NK 603 Testgruppe
Seralini: Tumore in Testgruüppe NK603
Interpretierbare Dosisabhängigkeit
In Tab. 3 der Séralini-Studie sind die am häufigsten auftretenden Erkrankungen an Organen aufgelistet. Hier wird weder nach der Schwere der Erkrankung noch in der Organspezifität unterschieden. Eine Dosisabhängigkeit ist nicht erkennbar, möglichweise sind es spontan zufällig auftretende Erkrankungen. In Abb. III wird eine Zusammenstellung für Brusttumore und Erkrankungen an Hypophyse und Niere über die Gesamtgruppe aufgezeigt. Die Schwankungsbreite der Erkrankungen der Tiere ist nur gering, sie variiert zwischen ein und drei Erkrankungen.
Eine gewisse Dosisabhängigkeit könnte eventuell, auch wenn sie widersprüchlich ist, abgeleitet werden (Abb. IV). Bei mit Roundup behandelten Mais NK603 könnte bei den Brusttumoren eine positive Dosisabhängigkeit gesehen werden, die aber bei allen anderen Erkrankungen nicht erkennbar ist. Für Erkrankungen an der Hypophyse könnte für gv-Mais NK603 und für Nierenerkrankungen bei Roundup im Trinkwasser eine inverse nicht lineare Dosisabhängigkeit, möglicherweise ein Schwellenwert zur Auslösung der Erkrankung vermutet werden. Insgesamt ist eine solche Interpretation sicherlich aufgrund der geringen Tierzahlen und den verwendeten Dosen wissenschaftlich nicht gerechtfertigt. Die aufgelisteten Erkrankungen sind wiederum genau die, die man auch bei Standard- Fütterungsversuchen über die gesamte Lebensdauer bei diesem Rattenstammes findet. Ein Einfluss der Versuchsdiäten auf eine erhöhte Tumorentstehung ist mit den publizierten Daten nicht hinreichend belegt.

Biochemische Parameter

In der Studie wurden 47 Blut- und Urinparameter zu 10/11 Zeitpunkten pro Tier und Kontroll- und Versuchsgruppen analysiert. Publiziert wird aber nur die Datenverrechnung für die weiblichen Tiere aus der 33% gv-Mais NK 603 Versuchsgruppe und zum Zeitpunkt 15 Monate. Obwohl die Autoren gerade Veränderungen in den biochemischen Parametern zur Unterstützung ihrer Aussagen über Sterblichkeit und Tumorentstehung heranziehen, bleibt es unverständlich warum lediglich der 15 Monate-Datensatz der weiblichen Tiere in einer für diese geringe Datenanzahl ungeeigneten statistischen Methode abgebildet wird. Die eigentlichen Versuchsdaten sind nicht veröffentlicht bzw. verfügbar. Somit ist Überprüfung der Auswertung nicht möglich. Aus der Abbildung 5A können nachvollziehbar keine statistischen Unterschiede zwischen Kontroll- und Versuchsgruppe abgeleitet werden. Ebenso ist die Aussage, dass die Erkrankungen auf Veränderungen im Testosteron-Östradiol Serumspiegel zurückzuführen seien, durch die vorlegten Daten (Abb. 5B) nicht belegt. Die Feststellung, dass ein unbekannter Stoff im gv-Mais NK603 oder Roundup wie endokrine Disruptoren einen Einfluss auf die Hormonregulation hat, lässt sich aus den publizierten Daten nicht belegen.

Methodische Unzulänglichkeiten

Unabhängig von allen OECD-Empfehlungen (15) für Fütterungsversuche werden in der Séralini-Studie im Vergleich zu den Versuchsgruppen (180 Tiere) lediglich 20 Tieren als Kontrolle herangezo-gen. Diese Anzahl ist für einen solchen Langzeitversuch viel zu gering. Dies muss auch vor dem für Séralini bekannten Hintergrund betrachtet werden, dass der verwendete Rattenstamm, Harlan Sprague-Dawely, vermehrt zur Bildung von spontanen Tumoren neigt. Selbst der Züchter, von dem die Versuchsansteller die Ratten bezogen hatten, beschreibt in seinen Angaben über Lebenserwar-tung und spontane Erkrankungen des Stammes: „….pituitary gland tumors were found in 20% of the males and 39% of the females. This relatively low incidence had little effect on the survival of the females (50%) due to the high incidence (76%) of mammary gland tumors (predominantly fibroadenomas)” (14). Bereits hierdurch werden die Befunde aus der zu kleinen Kontrollgruppe in Bezug auf die Versuchsgruppen fragwürdig. Séralini führte mehrmals aus, dass er eigentlich keine Tumore / keine Cancerogenität erwartet hat und deshalb habe er keine größeren Tierzahlen ver-wendet. Dies ist überraschend, untersucht er doch hier Roundup-Formulierungen, denen er in anderen Publikationen bereits eine erhöhte Cancerogenität zugeschrieben hat und sie auch bei transgenen Pflanzen vermutet. In der Séralin-Publikation wird ausgeführt, dass der Versuch ursprünglich als eine 90-Tage-Studie mit jeweils 10 Tieren/Geschlecht geplant gewesen wäre. Da aber gegen Ende des Versuches vermehrt toxische Effekte aufgetreten wären, habe man den Versuch als Langzeit-fütterungsversuch ausgedehnt. Aus der Publikation sind aber solche Effekte nicht zu erkennen, oder sie wurden nicht erwähnt. Lediglich in der männlichen Testgruppe bei 11% gv-Mais tritt ein spontaner Todesfall und ein Tumor nach 105 Tagen Fütterung auf. In der Arbeit wird nicht begrün-det, warum gerade dieser Einzelfall Anlass zur Ausweitung der Fütterungszeit gab. Für eine aussa-gekräftige Langzeitstudie mit Prüfung auf Cancerogenität hatte allerdings ein Fütterungsversuch mit neuem Versuchsdesign durchgeführt werden müssen.
Insgesamt muss aus den literaturbekannten Fakten (19, 20) zu dem Rattenstamm das von Seralini gewählte Versuchsdesign mit lediglich 10 Tieren/Geschlecht und Gruppe als ungeeignet angesehen werden, um gesicherte Aussagen zur Cancerogenität des Teststoffe machen zu können.

Die Kenntnis der stofflichen Zusammensetzung des Lebensmittels bzw. des Futters ist eine der Grundvoraussetzungen von Sicherheitsuntersuchungen in Tierexperimenten. Die Notwendigkeit solcher Untersuchungen wurde intensiv diskutiert und bewertet . Séralini et al.(2012) haben wahrscheinlich solche Analysen auch durchgeführt, aber sie machen in der Publikation keinerlei Angaben über Makro- und Mikronährstoffe. Vergleichende stoffliche Angaben des konventionellen Referenzmais zu dem gv-Mais NK603 fehlen. Somit ist es nicht ersichtlich inwieweit beide Futtermittel ernährungsphysiologisch und stofflich äquivalent sind. Aus der Publikation geht ebenfalls nicht hervor, inwieweit die 11%, 22% und 33% Maiszumischungen zur Standarddiät N04 tatsächlich in ihrer ernährungsphysiologischen Wertigkeit äquivalent sind; möglicherweise wurde entsprechend der konventionelle Mais zugemischt. Angaben hierüber fehlen gänzlich, und es ist von drei Testdiäten unterschiedlicher Zusammensetzung mit unterschiedlichem Nährwert auszugehen. Aus wissenschaftlicher Sicht dürften eigentlich nur die Ergebnisse der 33% Mais-Versuchsgruppen verglichen werden. Die fehlenden Angaben zu den unterschiedlichen Diätmischungen erschweren eine Interpretation der Versuchsergebnisse bzw. machen sie nahezu unmöglich.

Obwohl der Einfluss von Roundup (Glyphosat) in der Nahrung toxikologisch bewertet werden soll, wird der Gehalt an Glyphosat in dem mit Roundup behandelten Mais NK603 nicht angegeben. Ebenfalls werden keine Informationen zur Anwendung oder dem (den) Behandlungszeitpunkt(en) des gv-Maises NK603 mit Roundup während des Anbaus gegeben. Die toxikologischen Effekte von Glyphosat und Roundup-Formulierungen unterscheiden sich bekanntermaßen, aber in der Arbeit wird häufig Roundup mit Glyphosat gleichgesetzt.

In der Studie werden zwei gänzlich unterschiedliche Roundup Formulierungen verglichen. Im Trinkwasser-Versuch wird Roundup GT-Plus 450 g/L Glyphosat (51% Wirkstoff, 7,5% einer Ein-zelsubstanz, Rest Wasser) eingesetzt, während beim Mais NK603 das Herbizid Roundup Weather-Max 540 g/ L Glyphosat (48,8% Wirkstoff und 51,2% andere Substanzen) verwendet wird. Ein Ver-gleich der Ergebnisse aus dem Trinkwasserversuch und dem Mais NK603 mit Roundup Behandlung ist deshalb nur eingeschränkt möglich. Die Versuchsergebnisse müssen separat betrachtet werden.

Die Auswahl der Dosen entspricht kaum der Realität für die lebenslange orale Aufnahme von Roundup (Glyphosat).

Sehr viele biochemische Parameter pro Versuchsgruppe wurden erhoben (ca. 500 Datensätze).Eine klare für solche Untersuchungen anerkannte statistische Auswertung wäre möglich gewesen, stattdessen wurde die OPLA-DA-Auswertung (Orthogonal Partial Least Squares Discriminant Analy-sis) durchgeführt.

Schlussbemerkungen

In der Fütterungsstudie von Séralini et al. (2008) werden nur wenige Rohdaten veröffentlicht. Aus den wenigen Daten lassen sich nicht oder nur sehr eingeschränkt die Aussagen der Autoren zur Sterblichkeit sowie zur Induktion von Tumoren und Nieren- und Lebererkrankungen durch die Aufnah-me von gv-Mais NK603 oder von Roundup nachvollziehen oder korrelieren. Die Publikation erlaubt in der gegenwärtigen Form keine Aussagen zur gesundheitlichen Bedenklichkeit von gv-Mais NK603 mit und ohne Roundup-Behandlung. Diese Publikation ist für eine erneute Risikobewertung von gv-Mais NK 603 oder Roundup ungeeignet.

(1) Séralini, G.-E.; Clair, E.; Mesnage, R.; Gress, S.; Defrage, N.; Malatesta, M.; Hennequin, D. and Spiroux de Vendomois, J. (2012): Long term toxicity of a Roundup herbicide and Roundup-tolerant genetically modified maize. Food Chem. Tox. 50, 4211-4231 (unten der Download der Publikation)
Die Publikation "Eine kritische Replik - Ratten-Studie: Gentechnisch veränderter Mais und Roundup erhöht die Sterblichkeit" im Journal für Ernährungsmedizin und eine Präsentation (Stuttgart-Hohenheim_Seralini) entstammen dieser Diskussuionsrunde.
     „Gen-Mais führt zu erhöhten Krebsraten und vorzeitigem Tod“
Tumore bei Ratten nach Fütterung mit gv-Mais
                 Séralini et al. (2008) Food Chem.Tox. 50, 4211-4231
Für eine wissenschaftliche Arbeit ungewöhnlich, erfolgte die Bekanntgabe der Veröffentlichung der Langzeitfütterungsstudie an Ratten mit gv-Mais NK603 und mit Roundup-Formulierungen auf einer großangelegten und gut abgestimmten PR-Veranstaltung.  Prof. Séralini und CRIIGEN (Committee for Research & Independent Information on Genetic Engineering) fanden die Ergebnisse gravierend und besorgniserregend. Öffentlichkeit und Politik müssten medienwirksam über die Gefahren des Verzehrs von gv Produkten und der Anwendung von Roundup informiert und gewarnt werden. Zusätzlich sollten Zulassungsbehörden, insbesondere der EFSA, die Unzulänglichkeiten ihrer Sicherheitsbewertungen transgener Pflanzen vor Augen geführt werden.
Es war nicht die erste Langzeitfütterungsstudie mit gv-Erzeugnissen, aber es war die erste spektakulären Ergebnissen, die sehr medienwirksam vermarket wurde.
                                                                                mehr
Weitere Stellungnahmen zur der Fütterungsstudie von Séralini et al. (2012)  (Auswahl)

ESFA (2012) Final review of the Seralini et al.(2012a) publication on a 2.year rodent feeding study with glyphosate  formulations and
GM maize NK603 as published online on 19 Septem-ber in Food and Chemical Toxicology. EFSA Journal 10(1) 2985 http://www.efsa.europa.eu/de/efsajournal/doc/2986.pdf, und Anhang 1 enthält wichtige Stellungnahmen als Volltext: http://www.efsa. europa.eu/de/efsajournal/doc/2986ax1.pdf
ANSES (2012): Opinion of the French Agency for Food, Environmental and Occupational Health & Safety concerning an analysis of the
 study by Séralini et al. (2012) “Long term toxicity of a ROUNDUP herbicide and a ROUNDUP-tolerant genetically modified maize” ANSES, French Agency for Food, Environmental and Occupational Health & Safety,
Academies Francaises (2012): Avis des Académies nationales d’Agriculture, de Médecine, de Pharmacie, des Sciences, des
Technologies, et Vétérinaire sur la publication récente de G.E. Séralini et al. sur la toxicité d’un OGM Academies d'Agriculture de France, Académie Natio-nale de Médicine, Académie Nationale de Pharmacie, Institut de France Académie des Sci-ences, Académie des Téchnologies, Académie Vétérinaire de France.
VBio (2012): Rattenstudie-Schwere-Maengel, Verband Biologie, Biowissenschaften und Bio-medizin Deutschland 

Diese Veröffentlichung hat Vertrauen in das Gutachtersystem bzw. in die Fachkompetenz der Gutachter der Zeitschrift „Food and Chemical Toxicology“ erschüttert. 19 Kommentare aus der Wissenschaft wurden als „Letter to the editor“ an die Zeitschrift gesandt.

Wagner, R. (2013) Food Chem. Tox. 53, 440-441 (Auswahl: Alle “Letter to the Editor” können in den Ausgaben von Food. Chem.Tox.
51-53 nachgelesen werden)

Séralini G.E. et al. (2012): RETRACTED: Long term toxicity of a Roundup herbicide and a Roundup-tolerant genetically modified
 maize. Food and Chemical Toxicology 50(1), 4221-4231 https://doi.org/10.1016/j.fct.2012.08.005

Die Publikation wurde nach intensiver Diskussion aus der Zeitschrift „entfernt“. Die Autoren veröffentlichen sie später erneut in
Environmental Sciences Europe 2014, 26:14, “Republished study: long-term toxicity of a Roundup herbicide and a Roundup-
    tolerant genetically modified maize“.

Resnik D.B. (2015): Retracting Inconclusive Research: Lessons from the Séralini GM Maize Feeding Study. J Agric Environ Ethics.
28(4):621-633; DOI: 10.1007/s10806-015-9546-y

Ammann K. (2013): Thematic bibliography rat longterm experiments, toxicology, Séralini 2013 (umfassende Literaturübersicht)
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