EuGH-in-vitro-Mutagenese

Gemeinsame Stellungnahme zum EuGH-Urteil C-688/21 zur genrechtlichen Einordnung von in-vitro-Zufallsmutagenesen

Pflanzen aus in vitro Zufallsmutageneseverfahren unterliegen nicht dem Gentechnikrecht

 

Vorgeschichte:


Im Jahr 2015 erhoben der französischer Landwirtschaftsverband Confédération paysanne sowie acht Vereinigungen, deren Zweck der Umweltschutz ist, beim französischen Staatsrat eine Klage. Sie betraf den Ausschluss bestimmter Verfahren/Methoden der Mutagenese (in vitro Zufallsmutagenese) vom Anwendungsbereich der französischen Regelung zur Umsetzung der Richtlinie 2001/18/EG über die absichtliche Freisetzung von GVO in die Umwelt. Der Staatsrat, Frankreichs höchstes Verwaltungsgericht, hat am 07.02.2020 ein Urteil zur Einordnung von Mutageneseverfahren und zur Umsetzung der Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG ins französische Rechtssystem gefällt. Es gab den gegen den Staat klagenden Parteien weitgehend in allen Punkten recht. Er entschied, dass alle Pflanzen, die nach in Krafttreten der Freisetzungsrichtlinie (12.03.2001) mit Hilfe von in vitro Zufallsmutageneseverfahren gezüchtet wurden, grundsätzlich gentechnisch veränderte Organismen darstellen und somit allen Regularien aus der Gentechnik- und Umweltschutzgesetzgebung zu unterwerfen sind. Der Staatsrat wies in Folge die Regierung an, das französische Umweltgesetz (Art. D 531) innerhalb von sechs Monaten entsprechend anzupassen.

 

Frankreich legte der EU-Kommission den Entwurf eines Dekrets mit dem Titel „über die Änderung der Liste der Verfahren zur Gewinnung genetisch veränderter Organismen, die herkömmlich angewendet wurden, ohne nachweislich die öffentliche Gesundheit oder die Umwelt zu schädigen“ zur Notifizierung vor. Mit dem Dekret sollte Artikel D 531-2 des Umweltgesetzbuches entsprechend den Vorgaben des Staatsrates dahingehend geändert werden, dass Pflanzen, die mittels in vitro Zufallsmutagenese erzeugt wurden, den Regularien der Gentechnikgesetzgebung unterliegen sollten.

 

Dieser französische Vorschlag ging weit über das EuGH-Urteil C-528/16 hinaus und hätte in Frankreich und den anderen EU-Mitgliedsstaaten zu unterschiedlichen gentechnikrechtlichen Einordnungen von Pflanzen, die über in vivo- und in vitro Zufallsmutageneseverfahren gezüchtet wurden, geführt. Die Umsetzung des französischen Vorschlags hätte zwangsläufig Verwerfungen in der europäischen Gentechnikgesetzgebung nach sich gezogen und den Gedanken eines gemeinsamen Marktes mit gemeinsamen Regeln widersprochen.

 

Das Urteil  


In seinem Urteil C-688/21 vom 07.02.2023 zur rechtlichen Einordnung von in-vitro-Zufallsmutageneseverfahren hat nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) klar ausgeführt, dass die in vitro-Zufallsmutagenese genauso wie die in vivo Zufallsmutagenese unter die Ausnahmeregelung nach Art. 3 Nr. 1, und Anhang I B, Nr. 1 der Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG fällt. Pflanzen aus diesen beiden Mutageneseverfahren unterliegen somit nicht den Regularien aus dem Gentechnikrecht.

 

Das Urteil stuft in vivo- und in vitro-Zufallsmutagenese aus rechtlicher Sicht nicht als unterschiedliche Verfahren ein. Dies entspricht dem Sinne der Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG und ist aus wissenschaftlicher Sicht sinnvoll und gerechtfertigt. Beide Mutageneseverfahren erzeugen ungerichtet Mutationen und die Art der Mutationen und deren Auswirkungen unterscheiden sich nicht. Verfahrenstechnisch unterschiedlich ist lediglich, dass bei in vivo Verfahren intakte Pflanzen und bei in vitro Verfahren Zellen oder Gewebe verwendet werden aus denen wieder Pflanzen regeneriert werden. Die Anwendung beider Verfahren und die langjährige Nutzung solcher Pflanzen haben einerseits den sicheren Umgang mit den Techniken gezeigt und anderseits den Nachweis sicherer Pflanzen, von denen keine Risiken für Mensch, Tier und Umwelt ausgehen erbracht. Mehr als 3200 Pflanzen aus solchen Zufallsmutagenesen sind bereits seit Langem auf dem Markt.

 

Das Urteil ist aus wissenschaftlicher Sicht daher korrekt und im Sinne der Wissenschaft zu begrüßen.


12.02.2023                                               https://www.wgg-ev.de/info/mitteilungen/urteil-zu-in-vitro-zufallsgeneseverfahren/

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