Leopoldina-Stellungnahme zu genomeditierten Pflanzen

Gemeinsame Stellungnahme zu genomeditierten Pflanzen der Leoplodina, DFG und
Union der deutschen Akademien der Wissenschaften 

Stellungnahme:
Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, Deutsche Forschungsgemeinschaft und Union der deutschen Akademien der Wissenschaften (2019): Wege zu einer wissenschaftlich begründeten, differenzierten Regulierung genomeditierter Pflanzen in der EU / Towards a scientifically justified, differentiated regulation of genome edited plants in the EU. 

Hier sollen nur die Empfehlungen zur Novellierung des Gentechnikrechts aufgezeigt werden (Empfehlung 1), die kurzfristig umgesetzt werden könnten. Einerseits müsste die Definition für einen gentechnisch veränderten Organismus (GVO) modifiziert werden und die Ausnahmeregelungen in den Anhängen I und II entsprechend den neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen ergänzt werden. Diese Punkte werden in der Stellungnahme in den "Boxen 2, 3 und 4 dargelegt.
Ergänzend sollte bei einer Novellierung des Gentechnikrechts der Begriff "genetisch verändert" in "gentechnisch verändert" überführt werden (Anmerkung bgf-Jany).


Kurzfassung der Stellungnahme mit den Handlungsempfehlungen

In der Kurzfassung sind neben dem unten stehenden Text die Empfehlungen an die Politik  zusammengefasst

Empfehlung 1. Novellierung des europäischen Gentechnikrechts
So sollten innerhalb der laufenden Legislaturperiode des Europäischen Parlaments die GVO-Definition oder die zugehörigen Ausnahmeregelungen dahingehend überarbeitet werden, dass genomeditierte Organismen vom Anwendungsbereich des Gentechnikrechts ausgenommen werden, wenn keine artfremde genetische Information eingefügt ist und/oder eine Kombination von genetischem Material vorliegt, die sich ebenso auf natürliche Weise oder durch konventionelle Züchtungsverfahren ergeben könnte.

Empfehlung 2. Ein von Grund auf neuer Rechtsrahmen
Längerfristig wäre aus wissenschaftlicher Sicht nur die Entwicklung eines völlig neuen Rechtsrahmens konsequent, der sich vom bisherigen, primär an das Verfahren der genetischen Veränderung anknüpfenden Regulierungsansatz löst. Der aktuelle, verfahrensbezogene Regulierungsansatz ist wissenschaftlich nicht begründbar. Ebenso wenig lässt sich wissenschaftlich begründen, warum eine Regulierung zwischen Züchtungsverfahren mit und ohne transgene DNA unterscheiden sollte……..Der neue EU-Rechtsrahmen sollte regelmäßig, mindestens alle fünf Jahre, von der Europäischen Kommission hinsichtlich seiner Angemessenheit im Lichte des Stands von Wissenschaft und Technik sowie vor dem Hintergrund eines fairen Marktwettbewerbs überprüft und ggf. überarbeitet werden.

Empfehlung 3. Erleichterung der Freilandforschung
Aufgrund der strengen, vorrangig verfahrensbezogenen Regelung, die undifferenziert alle genomeditierten Pflanzen erfasst, wird die Forschungsfreiheit in der EU substantiell unbegründet eingeschränkt.

Empfehlung 4. Züchtungsverfahren differenziert diskutieren
Dabei sollten seitens der Wissenschaften realistische Erwartungen kommuniziert werden. Auch seitens der die Gentechnik Kritisierenden sollte klar zwischen Verfahren und deren Produkten sowie zwischen Anwendungsszenarien, etwa bei Nutzpflanzen und in der Humanmedizin, unterschieden werden.

Empfehlung 5. Wahlfreiheit sichern
Verbraucherinnen und Verbraucher sollten durch konsistente Kennzeichnungsregeln, die auch die Gleichartigkeit mit Produkten konventionell gezüchteter Organismen abbilden, über genomeditierte Produkte informiert werden. Für die Produktkennzeichnung ergibt sich die Herausforderung, dass Anwendungen der Genomeditierung häufig nicht nachweisbar sind, insbesondere, wenn im Endprodukt keine artfremde genetische Information vorhanden ist.

Empfehlung 6. Innovationspotentiale verantwortungsvoll ausschöpfen

Empfehlung 7. Erhöhung des Marktwettbewerbs


Pressemeldung:
Der Europäische Gerichtshof hat im Juli 2018 entschieden, dass alle Organismen, die durch Verfahren der Genomeditierung wie CRISPR-Cas verändert wurden, unter die rechtlichen Regelungen für „genetisch veränderte Organismen“ (GVO) fallen. Dies erschwert die Erforschung, die Entwicklung und den Anbau verbesserter Nutzpflanzen, die für eine produktive, klima-angepasste und nachhaltigere Landwirtschaft dringend erforderlich sind. Darauf weisen die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften und die Deutsche Forschungsgemeinschaft in der Stellungnahme hin. Die pauschale rechtliche Einstufung als GVO berücksichtige nicht, welche Art der genetischen Veränderung im genomeditierten Organismus vorliegt. Dieser vorrangig verfahrensbezogene Regelungsansatz sei rational nicht zu begründen, kritisieren Wissenschaftsakademien und DFG. Sie geben Empfehlungen, wie das europäische Gentechnikrecht kurzfristig novelliert und langfristig komplett neugestaltet werden kann.

Mittels Genomeditierung können verbesserte Nutzpflanzen schneller und zielgerichteter gezüchtet werden als bisher. Die Veränderungen, die die neuen Sorten im Erbgut tragen, könnten jedoch häufig auch zufällig oder durch konventionelle Züchtungsmethoden entstehen. Zudem kann der Ursprung der genetischen Veränderung häufig keinem Züchtungsverfahren zugeordnet werden. Die pauschale Einordnung genomeditierter Pflanzensorten als GVO ist deswegen unbegründet und unpraktikabel, unterstreichen die Wissenschaftsakademien und die DFG in ihrer Stellungnahme „Wege zu einer wissenschaftlich begründeten differenzierten Regulierung genomeditierter Pflanzen in der EU“. Sie plädieren für Regulierungs- und Zulassungsverfahren, die an die jeweilige Veränderung im Produkt angepasst sind.

Von der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes betroffen sind weltweit bereits mehr als 100 bekannte und (potenziell) marktfähige genomeditierte Nutzpflanzensorten, die Vorteile für Ernährung und Landwirtschaft aufweisen. Dazu gehören Sojabohnen mit gesünderen Fettsäuren, glutenreduzierter Weizen, bakterienresistenter Reis, pilzresistente Sorten von Wein, Weizen und Kakao sowie trockentolerantere Sorten von Mais, Weizen und Sojabohnen. In vielen Staaten außerhalb der Europäischen Union werden genomeditierte Pflanzen, die keine artfremde genetische Information enthalten, von GVO-bezogenen Regelungen ausgenommen.
Leopoldina, Akademienunion und DFG formulieren in ihrer Stellungnahme Empfehlungen, um eine wissenschaftlich begründete Regulierung genomeditierter Pflanzen in der EU zu erreichen. Unter anderem empfehlen sie die Novellierung des Europäischen Gentechnikrechtes. So sollte als kurzfristige Maßnahme die GVO-Definition dahingehend überarbeitet werden, dass genomeditierte Pflanzen nicht als GVO gelten, wenn keine artfremde genetische Information enthalten ist – in Analogie zu mit konventionellen Züchtungsmethoden veränderten Pflanzen. Ebenso sollte es sich nicht um einen GVO handeln, wenn eine Kombination von genetischen Informationen vorliegt, die sich auch auf natürliche Weise oder mit konventionellen Züchtungsmethoden ergeben könnte. Langfristig sei aber nur ein völlig neuer Rechtsrahmen konsequent, heißt es in der Stellungnahme. Dieser sollte bei der Beurteilung von Risiken für Mensch und Umwelt nicht auf die Verfahren abstellen, mit denen neue Sorten erzeugt werden, sondern auf deren neuartige Merkmale.

Die Wissenschaftsakademien und die DFG plädieren zudem für eine Erleichterung von Freilandforschung. Diese sei für die Forschung sehr wichtig, etwa um genetische Grundlagen von wichtigen Eigenschaften wie Salz-, Dürre- und Hitzetoleranz besser zu verstehen. In der Stellungnahme wird darauf hingewiesen, dass weitere Initiativen unternommen werden müssen, um Verbraucherinnen und Verbraucher über unterschiedliche Züchtungsverfahren und deren Produkte zu informieren. Auf dieser Grundlage und unterstützt durch ein einheitliches System der Kennzeichnung von Produkten sollen die Menschen informierte Kaufentscheidungen treffen.
Die Wissenschaftsakademien und die DFG weisen darauf hin, dass genomeditierte Pflanzensorten einen Beitrag leisten können, Ressourcenprobleme zu lösen und nachhaltige Landwirtschaft zu betreiben. Die Erzeugung neuer Sorten mittels Genomeditierung sei außerdem aufgrund geringer Kosten und hoher Effizienz auch für kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) nutzbar. Voraussetzung dafür, dass diese Chance ergriffen wird, ist aber eine differenzierte Anpassung rechtlicher Regelungen für die Erforschung und Zulassung der so erzeugten Pflanzensorten, heißt es in der Stellungnahme.

Pressemeldung vom 04.12.2019


04.12.2019 bgf-Jany
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