Genome-Editing nicht immer Gentechnik

Genome Editing ist nicht immer Gentechnik und führt nicht immer zu GVOs

Am 18.01.2018 veröffentlichte der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Schlussanträge von Generalanwalt M. Bobek zu der Anfrage des französischen Conseil d’État zur Klärung der Einordnung von Mutagenese-Verfahren in Sinne des Gentechnikrechtes bzw. der Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG (Rechtssache C528/16).
In der Pressemitteilung heißt es:
„Nach Ansicht von Generalanwalt Bobek sind durch Mutagenese gewonnene Organismen grundsätzlich von den in der Richtlinie über genetisch veränderte Organismen geregelten Verpflichtungen ausgenommen“

Das Verfahren: Rechtssache C-528/16:  Confédération paysanne, Réseau Semences Paysannes, Les Amis de la Terre France, Collectif vigilance OGM et Pesticides 16, Vigilance OG2M, CSFV 49, OGM dangers, Vigilance OGM 33,Fédération Nature & Progrès
             gegen
Premier ministre, Ministre de l’agriculture, de l’agroalimentaire et de la forêt
(Vorabentscheidungsersuchen des Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich))

Die Kläger: Ein Landwirtschaftsverband (Confédération paysanne) hat gemeinsam mit weiteren Tier- und Naturschutzverbänden beim Staatsrat (Conseil d’État) gegen die Umsetzung der Freisetzungsrichtline 2001/18/EG (GVO-Richtline) Klage erhoben. Hier sollten die neuen Mutagenese-Verfahren (z. B. Genome Editing) von den umfassenden strengen Regelungen des allgemeinen Gentechnikrechtes ausgenommen werden. Ähnlich wie es bereits in Anhang 1B für seit langem angewandte Verfahren, wie die strahlen-induzierte oder chemische Mutagenese, praktiziert und akzeptiert wird. Die Kläger sind der Ansicht, dass die neuen Mutagene-Verfahren, da sie neu sind, mit noch unbekannten Risiken behaftet sind.

Das Gericht (Conseil d’État): Das Gericht sah diese Angelegenheit für alle EU-Mitgliedsstaaten als übergeordnet an und hat in einem Vorabentscheidungsverfahren zur Klärung des Anwendungs- und Ausnahmebereichs der GVO-Richtlinie den EuGH angerufen. Insbesondere sollte geklärt werden:
  1. Sind durch Mutagenese gewonnene Organismen genetisch veränderte Organismen im Sinne von Art.2 der Richtlinie 2001/18, obwohl sie nach Art.3 und Anhang I B der Richtlinie von den Verpflichtungen bezüglich der Freisetzung und des Inverkehrbringens von genetisch veränderten Organismen ausgenommen sind? Können insbesondere Mutageneseverfahren, vor allem die neuen Verfahren der gezielten Mutagenese unter Einsatz gentechnischer Verfahren als in Anhang I A, auf den Art. 2 verweist, aufgeführte Verfahren angesehen werden? Sind die Art.2 und 3 sowie die Anhänge I A und I B der Richtlinie 2001/18 demzufolge dahin auszulegen, dass sie von den Maßnahmen der Vorsorge, der Verträglichkeitsprüfung und der Rückverfolgbarkeit alle durch Mutagenese gewonnenen genetisch veränderten Organismen und ebensolches Saatgut ausnehmen oder nur diejenigen Organismen, die mit den schon vor Erlass der Richtlinie bestehenden konventionellen Methoden der Zufallsmutagenese durch ionisierende Strahlung oder chemische Mutagene erzeugt wurden?
  2. Stellen durch Mutagenese gewonnene Sorten genetisch veränderte Sorten im Sinne von Art. 4 der Richtlinie 2002/53 dar, die nicht von den in dieser Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen ausgenommen wären? Oder stimmt der Anwendungsbereich dieser Richtlinie vielmehr mit dem sich aus den Art.2 und 3 sowie Anhang I B der Richtlinie 2001/18 ergebenden überein, und sind durch Mutagenese gewonnene Sorten auch von den Verpflichtungen ausgenommen, die die Richtlinie 2002/53 in Bezug auf die Eintragung genetisch veränderter Sorten in den gemeinsamen Katalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten vorsieht?
  3. Stellen die Art. 2 und 3 sowie Anhang I B der Richtlinie 2001/18 insoweit, als sie die Mutagenese vom Anwendungsbereich der in der Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen ausnehmen, eine Maßnahme der vollständigen Harmonisierung dar, die es den Mitgliedstaaten untersagt, durch Mutagenese gewonnene Organismen ganz oder teilweise den in der Richtlinie vorgesehenen oder anderen Verpflichtungen zu unterwerfen, oder verfügten die Mitgliedstaaten bei ihrer Umsetzung über ein Ermessen hinsichtlich der Festlegung der Regelung für durch Mutagenese gewonnene Organismen?
  4. Kann die Gültigkeit der Art.2 und 3 sowie der Anhänge I A und I B der Richtlinie 2001/18 insoweit, als diese Bestimmungen für durch Mutagenese gewonnene genetisch veränderte Organismen keine Maßnahmen der Vorsorge, der Verträglichkeitsprüfung und der Rückverfolgbarkeit vorsehen, im Hinblick auf das in Art.191 Abs. 2 AEUV verankerte Vorsorgeprinzip in Frage gestellt werden, wenn man die Entwicklung der gentechnischen Verfahren, die Entstehung neuer Pflanzensorten, die durch diese Verfahren gewonnen werden, und die derzeitigen wissenschaftlichen Unsicherheiten hinsichtlich der Auswirkungen dieser Verfahren und der damit verbundenen potenziellen Risiken für die Umwelt und die Gesundheit von Mensch und Tier bedenkt?
Stellungnahme von Generalanwalt Bobek:
Frage 1: Begriff der Mutagenese und Anwendung
RN 55 und 56: „Sofern sie die materiellen Voraussetzungen von Art. 2 Nr. 2 der GVO-Richtlinie erfüllen, stellen durch Mutagenese gewonnene Organismen meines Erachtens GVO im Sinne der GVO-Richtlinie dar (a). Solange das Mutageneseverfahren jedoch nur mit der Verwendung von rekombinanten Nukleinsäuremolekülen oder GVO verbunden ist, die aus einem oder mehreren der in Anhang I B aufgeführten Verfahren hervorgegangen sind, sind diese Organismen nach Art. 3 Abs. 1 der GVO-Richtlinie in Verbindung mit deren Anhang I B von den Verpflichtungen nach der GVO-Richtlinie ausgenommen(b).“

RN 62  "Ich stimme daher mit der Kommission darin überein, dass es unlogisch wäre, bestimmte Organismen von der Anwendung der Richtlinie auszunehmen, wenn diese Organismen nicht von vornherein als GVO anzusehen sein könnten. Organismen, die nicht umfasst sind, müssen nicht ausgenommen werden. "

RN 97  "Ich habe somit keinen Zweifel, dass der Gesetzgeber im Jahr 2001 das formuliert hat,, was er meinte: Durch Mutageneseverfahren gewonnene Organismen sind von den Verpflichtungen nach der GVO-Richtlinie ausgenommen, soweit sie nicht unter den Vorbehalt nach Anhang  I B fallen."

Hiermit stellt GA Bobek klar, dass durch Mutagenese gewonnene Organismen grundsätzlich von den in der GVO-Richtlinie über genetisch veränderte Organismen geregelten Verpflichtungen ausgenommen sind. Er verweist weiter darauf, dass der Gesetzgeber seiner Zeit die Mutagenese-Verfahren nicht abschließend ausschließlich auf die sicheren und seit langem angewandten Mutagenese-Verfahren verstanden wissen wollte, sondern fortschreibend auch alle neuen Verfahren bei denen nicht zur Einführung neuem genetischem Material kommt, sondern nur zu inhärenten Veränderungen im Genom (z. B. Punktmutationen) kommt.
Hier wird nun das Endprodukt als maßgebend für die Regulierung und nicht das Verfahren – der Weg zur genetischen Veränderung - angesehen. Für die Bewertung der Sicherheit für Mensch und Umwelt steht das Produkt im Vordergrund und wenn die Veränderung im Genom durch eine Mutagenese, wie sie auch unter natürlichen Bedingungen vorkommen könnte, kann eine solche Risikobewertung entfallen.  

Frage 2 bezieht sich im engeren Sine auf die durch neue Züchtungsverfahren gewonnenen herbizid-toleranten Rapssorten.
RN 154/159: Meines Erachtens ist die Richtlinie 2002/53 im Licht der in der GVO-Richtlinie enthaltenen Mutagenese-Ausnahme dahin auszulegen, dass sie eine mittelbare Anwendung der GVO-Richtlinie auf durch Mutagenese gewonnene Sorten landwirtschaftlicher Pflanzenarten ausschließt. Ich werde zunächst darstellen, welche Ergebnisse sich aus einer reinen Wortlautauslegung der Richtlinie 2002/53 ergeben würden, und dann erläutern, warum die Richtlinie 2002/53 im Einklang mit der GVO-Richtlinie auszulegen ist.
Somit ist die Richtlinie 2002/53 meines Erachtens im Licht der GVO-Richtlinie auszulegen, so dass durch Mutagenese gewonnene Organismen, auch wenn sie genetisch veränderte Sorten darstellen, von den besonderen Verpflichtungen nach der Richtlinie 2002/53 ausgenommen sind.
GA Bobek ist der Ansicht, dass diese neuen Pflanzen (Rapssorten) von den Verpflichtungen aus der GVO-Richtlinie ausgenommen sind. Er bestärkt damit die Auffassung des BVL zum Cibus-Raps.

Frage 3 beinhaltet Möglichkeiten einer generellen Harmonisierung oder auch einer nationalen Gesetzgebung.
RN 123/124: Vor diesem Hintergrund haben die Mitgliedstaaten meines Erachtens die Befugnis zur Regelung von durch Mutagenese gewonnenen Organismen, sofern sie ihre übergreifenden unionsrechtlichen Verpflichtungen, seien sie sekundärrechtlichen oder primärrechtlichen Ursprungs, wie etwa aus den Art. 34 und 36 AEUV, einhalten.
Ich schlage daher vor, die dritte Frage wie folgt zu beantworten: Die Richtlinie 2001/18 hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, Maßnahmen zur Regelung der Mutagenese zu erlassen, sofern sie dabei die sich aus dem Unionsrecht ergebenden übergreifenden Verpflichtungen beachten.
Mitgliedsstaaten dürfen durch Mutagenese-Verfahren gewonnene Organismen regulieren. Er stellt klar, dass es den Mitgliedstaaten unter der Voraussetzung der Beachtung übergreifender Grundsätze des Unionsrechts freistünde, Maßnahmen zur Regulierung solcher Organismen zu erlassen.  Solche nationalen Regelungen müssen jedoch den Grundsätzen des Unionsrechts entsprechen und dürfen nicht willkürlichen Annahmen oder politischen Vorstellungen entsprechen.

Frage 4 befasst sich mit dem Vorsorgeprinzip, Verträglichkeitsprüfungen und Rückverfolgbarkeit.
RN 143: In der vorliegenden Rechtssache sehe ich keine Gründe, die sich aus der allgemeinen Verpflichtung zur Aktualisierung von Rechtsvorschriften, die vorliegend durch den Vorsorgegrundsatz verstärkt wird, ergeben und die Gültigkeit der Mutagenese-Ausnahme nach Art.3 Abs.1 der GVO-Richtlinie und deren Anhang I B in Frage stellen könnten.
RN 152: Aus diesen Gründen schlage ich dem Gerichtshof eine Beantwortung dahin vor, dass die Prüfung der vierten Vorlagefrage nichts ergeben hat, was die Gültigkeit der Art 2 und 3 der GVO-Richtlinie sowie ihrer Anhänge I A und I B berühren könnte.
RN 152 sagt eigentlich alles! Das Vorsorgeprinzip ist auch hier gewahrt.

Die Empfehlungen des Generalanwalts sind für den EuGH nicht bindend; allerdings folgt er ihnen den meisten Fällen. Folgt der EuGH den Empfehlungen von GA Bobek braucht das Gentechnikrecht in Hinsicht auf die neuen Züchtungsmethoden nicht geändert oder erweitert werden.

GA Bobek - EuGH
Vorabentscheidung von Generalanwalt Bobek zur Mutagenese und Gentechnik:
Pressemeldung: German: http://bit.ly/2Dlgsav
English:https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2018-01/cp180004en.pdf

Vollständiger Text: deutsch: http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=198532&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=779174#Footref12
English: http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=198532&pageIndex=0&doclang=EN&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=779292

einige weitere Reaktion:
PRRI : http://www.prri.net/according-advocate-general-bobek-organisms-obtained-mutagenesis-principle-exempted-obligations-genetically-modified-organisms-directive/


Abbott A. (2018):
Europe court suggests relaxed gene-editing rules

Judicial opinion says restrictive regulations may not apply to plants and animals bred using CRISPR technique.

https://www.nature.com/articles/d41586-018-01013-5?WT.feed_name=subjects_climate-sciences


EuropaBio (2018): One step closer to legal clarity in plant breeding / Our take on the CJEU Advocate General opinion

http://www.europabio.org/agricultural-biotech/publications/one-step-closer-legal-clarity-plant-breeding?mc_cid=1000d8c51d&mc_eid=b89825d9e5


GAIN Report Number: E 18003 (2018):
Advisory Legal Opinion Expected for New Plant Breeding Techniques

https://gain.fas.usda.gov/Recent%20GAIN%20Publications/Advisory%20Legal%20Opinion%20Expected%20for%20New%20Plant%20Breeding%20Techniques%20_Brussels%20USEU_EU-28_1-16-2018.pdf


GM-Watch (2018):
Modern mutagenesis techniques are genetic engineering and give rise to GMOs

http://gmwatch.org/en/news/archive/2018/18077


spätere Stellungnahmen
Glas G. (2018):
Position paper on the opinion of advocate general Bobeck delivered on 18. January 2018 in case C-528/16

https://www.euroseeds.eu/system/files/publications/files/position_paper_on_advocate_general_bobek_opinion_c-528-16_final.pdf

http://european-seed.com/advocate-general-bobek-say-exactly/


Glas G. and Carmeliet T. (2018): The European Court to rule on milestone in European GMO legislation: the legal classification of mutagenesis

in plant breeding . Bio.Science Law Review 16 (2), 91-103

http://www.allenovery.com/SiteCollectionDocuments/16.2%20ARTICLE%203%20(final).pdf   


Ludwig Krämer (2018):
The genome editing technique is covered by Directive 2001/18. Comment on Advocate Bobeks Opinion in case C-528/16

Legal analysis by Professor, commissioned by Testbiotech, Germany.

https://www.testbiotech.org/sites/default/files/Legal%20dossier_GMO%20-%20genome%20editing_2018.pdf


Belgian Biosafety Server:
Targeted genome editing    ( Regulatory considerations)

https://www.biosafety.be/content/targeted-genome-editing




bgf-Jany, 20.01.2018 /31.05.2018

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