Grüne Grundsatzprogramm

Bundesparteitag von Bündnis 90 / Die Grünen und das neue Grundsatzprogramm


Beschlüsse zu Forschung und Gentechnik


Die Partei Bündnis 90/ Die Grünen hat am 22.11.2020 ihr neues Grundsatzprogramm beschlossen. Es trägt den Titel „ ….zu achten und zu schützen – Veränderung schafft Halt“

Mit der Verabschiedung des Grundsatzprogramms wird eine neue Ära eingeläutet. Es bildet die Richtschnur für das das zukünftige Handeln und politische Vorgehen. In vielen Bereichen stellt das Programm eine Abkehr von fundamentalistischen Ansichten dar und macht Avancen an neue Wählergruppen.


Die Partei bzw. ihre Spitze machte auf dem Parteitag sehr deutlich, dass sie nach der Bundestagswahl im Herbst 2021 eine Führungsrolle übernehmen und mitregieren möchte. Zur Umsetzung grüner Vorstellungen müsse man an die Macht. Sinngemäß führte ihr Vorsitzender Robert Harbeck: Wir brachen Macht, denn Macht kommt von Machen und wir wollen etwas machen, deshalb wollen wir an die Macht. Damit der Machtanspruch nicht unnötig gefährdet wird, wurden für das Grundsatzprogramm viele auch „weiche“ Kompromisse eingegangen; man wollte weder das eigene Klientel verärgern noch neue Wählerschichten verschrecken. Beides zeigte sich deutlich bei den Diskussionen um die Streitpunkte „Klima“ und „Gentechnik“.


Höhne V.: Spiegel-online: Grüne wollen an die Macht – dieses Mal wirklich

Die Grünen haben ihr Grundsatzprogramm verabschiedet und protzen beinah mit ihren Ambitionen. Gefährliche Kontroversen hat die Spitze erfolgreich verhindert – bis auf eine Ausnahme.

https://www.spiegel.de/politik/deutschland/gruenen-parteitag-wie-die-gruenen-zu-sich-selbst-fanden-a-53ab2c09-5c4a-4c6d-8d65-6ef0d9e5c4ad

Zinkant K.: Sind die Grünen Partei der Wissenschaft - oder nur wenn es passt?

https://www.sueddeutsche.de/politik/gruene-gentechnik-wissenschaft-1.5121155


Die Sätze „In Medizin und biotechnologischen Anwendungen konnten durch die Gentechnik wichtige Fortschritte erzielt werden, während im Agrarbereich ihre Anwendung zu neuen Problemen geführt hat.“ und „….„einerseits die Freiheit der Forschung zu gewährleisten und andererseits bei der Anwendung Gefahren für Mensch und Umwelt auszuschließen.“ werden bereits dahingehend interpretiert, dass die Partei die Gentechnik nicht mehr grundsätzlich ablehnt und sich öffnet bzw. zu Diskussionen darüber bereit sei.


Deter A.: Grüne setzen bei Gentechnik auf Kompromiss statt Ablehnung

In ihrem neuen Grundsatzpapier lehnen die Grünen erstmals Gentechnik nicht mehr komplett ab. Unter Vorbehalt und Freiheit der Forschung sowie Folgenabschätzung könne man über Gentechnologie reden.

https://www.topagrar.com/management-und-politik/news/gruene-setzen-bei-gentechnik-auf-kompromiss-statt-ablehnung-12412064.html

Zeit-online: Grüne lehnen Gentechnik nicht mehr grundsätzlich ab

https://www.zeit.de/politik/deutschland/2020-11/parteitag-gruene-gentechnik-grundsatzprogramm-robert-habeck


Aufgrund der Entwicklungen, gerade in Deutschland, auf dem Gebiet der Impfstoffe gegen den Corona-Virus konnten sich die Grünen diesen Anwendungsbereich in der modernen Biotechnologie nicht verschließen. Dies hätte in Deutschland nicht verstanden, aber man erinnere sich, dass gerade diese Partei in der Vergangenheit die biotechnologische Produktion von Humaninsulin oder von Waschmittelenzymen zu verhindern versuchte. Die Entwicklung hat ihr die alten Gefährdungsansichten der Grünen überholt. Seit Längerem werden Anwendungen in der Roten Gentechnik akzeptiert, in der Weißen Biotechnologie toleriert, aber unverändert bleibt die Skepsis bzw. Ablehnung der Grünen Gentechnik. Es hat sich mit dem Grundsatzprogramm fast nichts geändert aber möglicherweise ein Umdenken. Die Zeit ist wahrscheinlich noch nicht reif und mit Rücksicht auf das eigene Klientel konnte sicherlich auch nicht mehr erreicht werden, als die Formulierungen in Nr. 153 unter „Fortschritt gestalten – Wissenschaft und Forschung“ (siehe unten). Allerdings wird der kleine Lichtblick gleich wieder durch die ► Äußerungen der Grünen im Bundestag am 24.11.2020 zu Grünen Gentechnik getrübt. 

  • Während wir Gentechnikforschung im geschlossenen System unterstützen, müssen vor jeder Freisetzung lebender und fortpflanzungsfähiger Organismen Gefahren für Mensch und Umwelt unbedingt ausgeschlossen werden.
  • Die geltende Risikoprüfung vor jeder Zulassung gentechnisch veränderter Organismen muss weiterhin auch für neue Genscheren wie CRISPR/Cas gelten. Der Wahlfreiheit der Verbaucher*innen schulden wir eine verbindliche Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit.
  • Für die Lösung landwirtschaftlicher Probleme in Zeiten von Artensterben und Klimawandel setzen wir auf agrarökologische Ansätze.

Soll im Bereich „Gentechnik“ mit dem Grundsatzprogramm nur ein Alibi aufgebaut werden und haben wir jetzt hier nicht nur einen Wolf im Schafsfell? 


Verstärkt wird der Eindruck noch durch weitere Äußerungen von Parteimitgliedern. Gegenwärtig ist die Partei nicht gewillt, ihre Einstellung zur Gentechnik zu ändern. Sie bleibt bei ihrer fundamentalistischen Ablehnung von Anwendung molekularbiologischer Verfahren zur Züchtung von Organismen, die in der Landwirtschaft z.B. zur Verringerung von Pflanzenschutzmitteln, Bodenerosion, des Klimaschutzes u.v.m. genutzt werden könnten.


Koch J.: Gentechnik: Ebner verteidigt Beschluss

Die Grünen wehren sich gegen den Vorwurf, Gentechnik-Lockerungen für neue Züchtungstechniken zu akzeptieren.

https://www.wochenblatt-dlv.de/politik/gentechnik-ebner-verteidigt-beschluss-563317

Sengl G.: Weiterhin Nein zur Grünen Gentechnik!

https://www.gisela-sengl.de/15615-2/

Angenommener Beschluss 153 - GSP-F Fortschritt gestalten

In Medizin und biotechnologischen Anwendungen konnten durch die Gentechnik wichtige Fortschritte erzielt werden, während im Agrarbereich ihre Anwendung zu neuen Problemen geführt hat. Wie bei jeder Technologie muss der politische Kompass zum Umgang mit alten wie neuen gentechnischen Verfahren sein, einerseits die Freiheit der Forschung zu gewährleisten und andererseits bei der Anwendung Gefahren für Mensch und Umwelt auszuschließen. Nicht die Technologie, sondern ihre Chancen, Risiken und Folgen stehen im Zentrum. Es gilt daher, an einem strengen Zulassungsverfahren und am europäisch verankerten Vorsorgeprinzip festzuhalten. Dazu bleiben Risikoprüfungen auf umfassender wissenschaftlicher Basis und eine Regulierung nötig, die unkontrollierbare Verbreitung ausschließen und über eine verbindliche Kennzeichnung die gentechnikfreie Produktion und die Wahlfreiheit der Verbraucher*innen schützen. Entsprechend braucht es eine Stärkung der Risiko- und Nachweisforschung. Gerade im Agrarbereich soll die Forschung zu alternativen Ansätzen, die auf traditionelle und ökologische Züchtungsverfahren setzen, gestärkt werden.

                                               ► Beschluss vom 22.11.2020

Die angenommenen Beschlüsse zu Kapitel 3 – „Fortschritt gestalten“ sind ► hier abrufbar. Kapitel 3 umfasst die Bereiche Wissenschaft und Forschung (Beschlüsse 138-149 neu), Bioethik (Beschlüsse 149 -153) und Digitalisierung (154-164).


► Kapitel 1 – „Lebensgrundlagen schützen“ beinhaltet die Punkte Klima und Energie (Beschlüsse 53-65); Umwelt, Naturschutz und Landwirtschaft (Beschlüsse 66-74); Tierschutz Beschlüsse 75-76); Mobilität (Beschlüsse 77-83), Wohnen (Beschlüsse 84-88), Soziales und Ökologie (Beschlüsse 89-97).  

(65)

Das Vordringen des Menschen in die letzten, noch nicht zerstörten natürlichen Gebiete und die grenzenlose Aneignung von Umwelt und Tierwelt zum Verbrauch oder Verzehr gefährden nicht nur die Natur, sondern auch die menschliche Gesundheit. Sogenannte zoonotische Krankheiten können fatale gesellschaftliche Folgen haben. Der Schutz von Ökosystemen trägt auch dazu bei, Seuchen und Pandemien zu verhindern. Bei Eingriffen in die Natur müssen nicht-verantwortbare Risiken, wie die Ausrottung ganzer Populationen oder Arten durch gentechnische Methoden, ausgeschlossen werden.





70)

Eine zukunftsfähige Landwirtschaft arbeitet mit der Natur. Die wachsende Abhängigkeit von Weltmärkten mit engen, schuldengetriebenen Produktionszwängen und wenigen Großkonzernen, von Pestiziden und Saatgutpatenten gehört beendet. Es darf keine Patente auf Pflanzen und Tiere sowie deren genetische Anlagen geben. Die Zukunft gehört einer klimafreundlichen, kreislauforientierten und regional verwurzelten Landwirtschaft, die altes Erfahrungswissen mit modernen agrarökologischen Anbaumethoden, digitalen Anwendungen und nachhaltigem Wassermanagement kombiniert. Diese vielfältige Landwirtschaft produziert nicht für Märkte, sondern für Menschen, die ein Recht auf sichere, gesunde und nachhaltige Lebensmittel haben. Sie arbeitet ressourcenschonend, naturverträglich, und orientiert sich am Leitbild der ökologischen Landwirtschaft mit ihren Prinzipien Tiergerechtigkeit, Gentechnikfreiheit und Freiheit von synthetischen Pestiziden. Eine solche Landwirtschaft steht für den Erhalt einer vielfältigen Kulturlandschaft und die Vielfalt von Anbausystemen, Nutztierrassen und Pflanzensorten. Die Weidetierhaltung verdient dabei eine besondere Förderung, da sie das ökologisch wertvolle Grünland erhält und sinnvoll nutzt. Der notwendige Wandel hin zur zukunftsfähigen Landwirtschaft gelingt nur zusammen mit den Bäuerinnen und Bauern.

Kleine Chronologie vom Entwurf zum verabschiedeten Grundsatzprogramm


Grundsatzprogrammentwurf


Der ► Grundsatzprogrammentwurf: „… zu achten und zu schützen … Veränderung schafft Halt" 

 Stand: 28. August 2020: Antrag zur 45. Bundesdelegiertenkonferenz von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Karlsruhe, 20. bis 22. November 2020


Die Debattenbeiträge sind unter ►"Impulse: Debattenbeiträge zum Grundsatzprogramm" aufgeführt


Im Kapitel 1, Themenblock „Umwelt, Naturschutz und Landwirtschaft“ wird der Begriff „Gentechnik“ überhaupt nicht erwähnt. Im Kapitel 3, Themenblock „Wissenschaft und Forschung“ kommen weder Gentechnik oder Biotechnologie vor. Lediglich unter dem Themenblock „Bioethik“ wird der Begriff „Gentechnik“ aufgeführt und zwar im Beschlussentwurf 153:

Auch wenn die Versprechen der klassischen Gentechnik bis heute nicht eingelöst sind, so sind alte und neue gentechnische Verfahren doch in der Welt. Unser Kompass zum Umgang mit ihnen ist wie bei jeder Technologie, die Folgen der jeweiligen Anwendung für Mensch und Umwelt zu beurteilen. Nicht die Technologie, sondern ihre Chancen, Risiken und Folgen stehen im Zentrum. Forschung zu neuer Gentechnik soll ebenso gestärkt werden wie alternative Ansätze, die auf traditionelle Züchtungsverfahren setzen. Auch bei neuen gentechnischen Verfahren braucht es Risikoforschung. Wir halten an einem strengen Zulassungsverfahren und an der europäischen Orientierung am Vorsorgeprinzip fest. Es darf keine Patente auf den Genpool der Natur geben. Alle Züchtungen von Pflanzen und Tieren sind unter eine Open-Source-Lizenz zu stellen, die eine Patentierung ausschließt.“

Dieser Entwurf wurde von vielen Parteimitgliedern und Gruppierungen als viel zu progressiv angesehen und abgelehnt. Der Gedanke an eine Stärkung der Forschung zur neuen Gentechnik widersprach grünen Vorstellungen. Forschung an neuer Gentechnik - Genome Editierung würde doch stark an das noch vor kurzem von Ministerpräsident Kretschmann ► untersagte Forschungsprogramm seiner Wissenschaftsministerin erinnern. Es kann nicht angehen, dass mit dem Grundsatzprogramm die Forschung zu neuer Gentechnik gestärkt und gleichzeitig in der realen Welt unterdrückt werden soll. Ein Widerspruch in sich! Der Gedanke an eine Förderung der Forschung zur Genome Editing bei Pflanzen wurde verworfen und dann auch nicht mehr weiter diskutiert. Aussagen zur Anwendung des Vorsorgeprinzips, zur Gentechnikfreiheit, zum Festhalten an den gesetzlichen Regelungen für die neue Gentechnik fehlten oder waren nicht scharf genug formuliert.   


► 16 Änderungsvorschläge (GSP.F-01-086 – 01-093) gingen zu Beschlussantrag 153 ein. Das Spektrum reichte von einfachen, konstruktiven redaktionellen Änderungen bis zu einem Verbot der Gentechnik. In vielen war die Ablehnung der Gentechnik Tenor  


Bundesdelegiertenkonferenz


Der Bundesvorstand hatte bereits im Vorfeld den ursprünglichen Beschlussantrag 153 in Hinsicht auf die Bedenken neu formuliert. Mit diesem Vorschlag konnten sich die meisten Antragsteller zufrieden geben. Für die weitere Diskussion und die Abstimmung auf der Bundesdelegiertenkonferenz blieben letztlich nur noch der neu formulierte Antrag des Bundesvorstandes sowie zwei weitere Änderungsanträge (Dorothe Kaufmann und Hans Schmidt) übrig. 


Nicht mehr in der „Endrunde“ war der Änderungsantrag von H. Ebner und 47 weiteren AntragstellerInnen vertreten. Es war auch nicht nötig, da der Bundesvorstand bereits viele Gesichtspunkte hieraus sinngemäß übernommen hatte.

Änderungsantrag Bundesvorstand

In Medizin und biotechnologischen Anwendungen konnten durch die Gentechnik wichtige Fortschritte erzielt werden, während im Agrarbereich ihre Anwendung zu neuen Problemen geführt hat. Wie bei jeder Technologie muss der politische Kompass zum Umgang mit alten wie neuen gentechnischen Verfahren sein, einerseits die Freiheit der Forschung zu gewährleisten und andererseits bei der Anwendung Gefahren für Mensch und Umwelt auszuschließen. Nicht die Technologie, sondern ihre Chancen, Risiken und Folgen stehen im Zentrum. Es gilt daher, an einem strengen Zulassungsverfahren und am europäisch verankerten Vorsorgeprinzip festzuhalten. Dazu bleiben Risikoprüfungen auf umfassender wissenschaftlicher Basis und eine Regulierung nötig, die unkontrollierbare Verbreitung ausschließen und über eine verbindliche Kennzeichnung die gentechnikfreie Produktion und die Wahlfreiheit der Verbraucher*innen schützen. Entsprechend braucht es eine Stärkung der Risiko- und Nachweisforschung. Gerade im Agrarbereich soll die Forschung zu alternativen Ansätzen, die auf traditionelle und ökologische Züchtungsverfahren setzen, gestärkt werden.


Änderungsantrag Harald Ebner

Auch wenn alte und neue gentechnische Verfahren in der Welt sind, so haben sich die Versprechen bislang nicht erfüllt. Unser Kompass zum Umgang mit alten wie neuen gentechnischen Methoden wie CRISPR/Cas ist wie bei jeder Technologie, die Folgen für Mensch und Umwelt zu beurteilen. Alle Technologien müssen im Zusammenhang mit ihren Chancen, Risiken und ökologischen sowie sozioökonomischen Folgen umfassend bewertet werden. Wir halten daher auch bei den neuen gentechnischen Methoden am strengen Zulassungsverfahren und am europäisch verankerten Vorsorgeprinzip fest. Das beinhaltet auch eine Kennzeichnung zur Sicherung der Wahlfreiheit von Verbraucher*innen. Die Nachweis- und Risikoforschung zu neuer Gentechnik soll gestärkt werden. Aber auch die traditionellen Züchtungsverfahren und bislang vernachlässigte Züchtungsansätze benötigen mehr Unterstützung. Patente auf Leben lehnen wir ab. Züchtung von Pflanzen und Tieren darf nicht durch Patentierung behindert werden.


Dieser Antrag beruht letztlich auf dem Beschluss der Bundestagsfraktion vom 16.06.2020 ►„Neue Gentechnik in der Landwirtschaft verantwortungsvoll regulieren“ zurück.

Änderungsantrag Dorothea Kaufmann


Uns stehen nun die im Vergleich zur klassischen Gentechnik weitaus präziseren Verfahren der neuen Gentechnik zur Verfügung. Hierin liegt eine historische Chance, Pflanzen zu züchten, die besser an die jeweiligen Umweltbedingungen angepasst sind. Gerade in Hinblick auf den Klimawandel ist es deshalb notwendig, die Verfahren der neuen Gentechnik rein wissenschaftsbasiert zu bewerten. Forschung zu neuer Gentechnik soll gestärkt werden, damit hier nicht der Anschluss an die internationale Wissenschaftsgemeinschaft sowie die Chancen, die diese Technik bietet, verpasst werden. Unser Kompass zum Umgang mit ihnen ist, wie bei jeder Technologie, die Folgen der jeweiligen Anwendung für Mensch und Umwelt auf wissenschaftlicher Basis zu beurteilen. Nicht die Technologie, sondern ihre Chancen, Risiken und Folgen stehen im Zentrum. Wir setzen uns deshalb für eine produktbasierte statt einer prozessbasierten Bewertung ein und fordern, dass Produkte, die durch neue gentechnische Verfahren hergestellt wurden, unter Anwendung des europäischen Vorsorgeprinzips entsprechend bewertet werden.


Dieser Antrag geht auf das ►Thesenpapier „Neue Zeiten, neue Antworten: Gentechnikrecht zeitgemäß regulieren“ zurück.

Änderungsantrag Hans Schmidt


Während durch die Gentechnik in der Medizin wichtige Fortschritte erzielt werden konnten, hat sie im Agrarbereich ihre Versprechen nicht eingelöst und zu neuen Problemen geführt. Kompass zum Umgang mit alten wie neuen gentechnischen Verfahren ist, wie bei jeder Technologie, das Vorsorgeprinzip. Eine transparente Kennzeichnung und lückenlose Rückverfolgbarkeit aller gentechnisch veränderter Lebensmittel und eingesetzter Futtermittel ist dazu unumgänglich. Entsprechend braucht es bei allen gentechnischen Verfahren eine transparente Risikoforschung. Aufgrund unkalkulierbarer Risiken, wie z.B. der Nicht-Rückholbarkeit freigesetzter gentechnisch veränderter Organismen, der Monopolisierung von Marktmacht und der Zerstörung der Artenvielfalt, soll nicht die Forschung zu neuer Gentechnik in der Landwirtschaft weiter gefördert werden, sondern alternative Ansätze, die auf traditionelle und ökologische Züchtungsverfahren setzen. Freilandversuche mit gentechnisch veränderten Organismen darf es nicht geben, somit auch keine Gentechnik auf dem Acker und im Essen.



Im 1. Wahlgang entfielen auf den Antrag des Bundesvorstandes 567 Stimmen, auf den von Herrn Schmidt 247 und auf den von Frau Kaufmann 202. Im 1. Wahlgang konnte jeder Delegierte 3 Stimmen abgegeben. Auch wenn der Antrag von Frau Kaufmann auf dem letzten Platz landete, so ist es doch ein Erfolg für die progressive Gruppe: Immerhin haben 27% der Delegierten dem Antrag eine Stimme gegeben. Offensichtlich sind auch weitere Parteimitglieder nachdenklich geworden.


Im 2. Wahlgang wurde dann der Antrag des Bundesvorstandes mit großer Mehrheit (75%) angenommen. 


Nicht ganz nachvollziehbar ist, wie sowie aus dem beschlossenen Antrag des Bundesvorstandes eine Wende der Partei Bündnis 90/Die Grüne abgeleitet werden kann. Mit dem Beschluss hat sich nichts Grundsätzliches geändert. Anwendungen im Bereich der Roten und Weißen Gentechnik werden akzeptiert bzw. geduldet, Grüne Gentechnik aber weitgehend angelehnt. In diesem Bereich der neuen Gentechnik wird die Grüne Partei weiterhin ein Blockierer bleiben und Anwendungen der neuen Technologien wie CRISPR/Cas und Co Steine in den Weg legen.


Rückblick zum Entwurf des Grundsatzprogramms:


Am 10 Juni 2020 stellte eine Gruppe von 20 progressiven Parteimitgliedern ihr ►Thesen- / Diskussionspapier „Neue Zeiten, neue Antworten: Gentechnikrecht zeitgemäß regulieren“ vor und fordern ein Umdenken der Partei Bündnis 90/Die Grünen zur Gentechnik.

 

Thesen:

„1. Die politischen Herausforderungen in der Landwirtschaft, egal ob lokal, national oder global, werden sich nicht durch eine

     einzelne Technologie lösen lassen, aber auch nicht ohne Technologiesprünge hin zu mehr Nachhaltigkeit und

     Klimaverträglichkeit. Gleiches gilt für das Gesundheitssystem: Eine therapeutische Technologie kann nur eingebettet in ein

     funktionierendes Gesundheitssystem helfen.

2. Neue Gentechnik in der Landwirtschaft steht nicht per se für weniger oder mehr Nachhaltigkeit, sondern kann potentiell für

    beides genutzt werden.

3. Die aktuelle Regulierung von genveränderten Organismen (GVO) befördert Monopolstrukturen in der Landwirtschaft; für

    faire Märkte, die für alle zugänglich sind, brauchen wir neue Regeln.

4. Die grundsätzlich akzeptierte Rote Gentechnik führt schon heute vor Augen, dass auch das Unterlassen der Anwendung

    nicht von Verantwortung gegenüber der Gegenwart und Zukunft entbindet.

5. Inkohärente Anwendung schwächt das Vorsorgeprinzip – wir müssen eine faktenbasierte Antwort geben, wann eine

    Technologie ausreichend erforscht ist, um als sicher zu gelten.

6. Aktuelle Regulierung von GVO entspricht teilweise nicht mehr dem wissenschaftlichen Stand – entscheidend ist nicht die

   Technologie, sondern das Ergebnis.

 

Blick in die Zukunft: Wir dürfen den Handlungsbedarf nicht länger ignorieren, sondern müssen unsere Stärke einer ausgewogenen und sorgfältigen Technologiebewertung im Dialog mit der Wissenschaft auch auf neue Gentechnik in der Landwirtschaft anwenden.“


Ihre Thesen sind tatsächlich für die Partei sehr fortschrittlich; möglicherweise zu progressiv. Öffentlich wurde die Gruppe bzw. ihr Diskussionspapier kaum unterstützt. Jene die sich zunächst positiv anerkennend geäußert hatten, löschten ihre Beiträge im Internet. Gentechnikbefürworter hüllten sich vornehm in Schweigen.


Bundestagsfraktion von Bündnis 90/ Die Grünen

Aber, es hat nicht lange gedauert und die Kritiker der Gentechnik meldeten sich zu Wort und wiesen die Vorstellungen der Gruppe brüsk zurück. Die Bundestagsfraktion der Partei Bündnis 90/Die Grünen haben am 16.06.2020 einen ► Fraktionsbeschluss herbeigeführt. Dieser lehnt die Inhalte des Diskussionspapiers weitgehend ab. Der Fraktionsbeschluss "Neue Gentechnik in der Landwirtschaft verantwortlich regulieren“ stellt klar: Auch mit CRISPR & Co. veränderte Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen müssen aus grüner Sicht weiterhin im Rahmen des geltenden Rechts gründlich risikogeprüft und gekennzeichnet werden“.


Ungewöhnlich für die Partei ist, dass nicht veröffentlicht wurde, wer bzw. welche Mehrheit diesen Beschluss befürwortet.



bgf-Jany 25.11.2020



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